Roland Spranger: "Tiefenscharf"

Tödlicher Rausch

Cover des Krimis "Tiefenscharf" von Roland Spranger
"Tiefenscharf" spielt in der tristen Grenzregion zwischen Deutschland und Tschechien. © Kerstin Petermann / polar / dpa / Jens Wolf
Von Kolja Mensing · 27.04.2018
Das Gebiet zwischen Deutschland und Tschechien ist zum Umschlagplatz für Crystal Meth geworden. Auch Max will bei dem Geschäft mitmischen und zieht bei einer Polizeikontrolle seine Waffe. Das Buch ist ein kompromissloser Krimi aus der trostlosen Provinz.
Max hat in Tschechien Drogen gekauft und ist auf dem Weg zurück nach Deutschland. Auf dem Beifahrersitz liegt ein Plastikbeutel mit Crystal Meth im Wert von 20.000 Euro, und er schafft es gerade noch, die Ware auf dem Fenster zu schmeißen, bevor die Polizei ihn mitten in der Nacht auf der Autobahn stoppt. Max steht unter Druck, und ab jetzt hat er eine nicht registrierte Česká im Wagen. Als er das nächste Mal auf der Autobahn mit einer Lieferung gestoppt wird, richtet er die halbautomatische Waffe kurzerhand auf die Polizisten.

"Es ist Zeit für keinen Kompromiss"

Roland Sprangers Thriller "Tiefenscharf" führt ohne Umwege in das dunkle Grenzland zwischen Tschechien und Deutschland, eine mittlerweile ziemlich heruntergekommene Gegend, die vor allem dafür bekannt ist, dass hier im großen Stil Crystal Meth umgeschlagen wird. Der Drogenschmuggel ist allerdings nur der Ausgangspunkt für einen Kriminalroman, der einen tiefen, besser: "tiefenscharfen" Blick auf ein gesellschaftliches Segment wirft, das vor allem in deutschen Randlagen anzutreffen ist: Möchtegern-Dealer wie Max, abgehalfterte Türsteher, Speedfreaks oder die ganz normalen Nazis, die die mit dem Baseballschläger denken.
"Tiefenscharf" ist bei Polar in Hamburg erschienen, einem kleinen, aber extrem engagierten Krimi-Verlag. Der Verleger Wolfgang Franßen fühlt sich der Tradition des "néo polar" verpflichtet, also jener französischen Variante des Hardboiled-Romans, die in den 60er-Jahren durch Jean-Patrick Manchette begründet wurde und die sich vor allem für den gesellschaftlichen Kontext des Verbrechens interessiert. Mit "Tiefenscharf" als Auftakt will Franßen – wie er im Vorwort schreibt – sich jetzt auf die Suche nach einem "deutschen Polar" machen: "Es ist Zeit für keinen Kompromiss."

Windkrafträder, Billig-Bäcker und Neonazis

Ein Kompromiss ist "Tiefenscharf" auf jeden Fall nicht. Roland Spranger Figuren, die alle auf der Suche nach einem billigen Kick sind, wirken auf bedrückende Art echt. Das liegt vor allem daran, dass ihr Verhalten nicht psychologisch oder moralisch motiviert ist, sondern rein ökonomisch – zum Beispiel, wenn Max seiner Freundin Kira erklärt, warum es keine gute Idee ist, eine Flüchtlingsunterkunft anzuzünden: "Das wäre geschäftsschädigend", sagt er. "Bloß weil wir das Zeug an Nazis verticken, müssen wir selbst keine sein. Ich bin Geschäftsmann. Ich verkaufe mein Produkt an jeden, der in Cash bezahlen kann."
Das alles hat Roland Spranger vor dem Hintergrund einer kompromisslos trostlosen Provinzarchitektur in Szene gesetzt. Fitnessstudios, Windkrafträder und Billig-Bäcker, Großraumdiskotheken oder eine alte Schulturnhalle, auf die jemand ein Hakenkreuz gesprayt hat. Das sind Kulissen, in denen man sich ein Happy End kaum vorstellen kann. In "Tiefenscharf" ist es am Ende dann auch nur ein einsamer Fuchs, der es auf die andere Seite der Autobahn schafft.

Roland Spranger: "Tiefenscharf"
Polar Verlag, Hamburg 2018
286 Seiten, 18 Euro

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