"Robert de Niro"-Biografie

Von seinen Rollen Besitz ergriffen

Schauspieler Robert de Niro, aufgenommen 2014
Schauspieler Robert de Niro, aufgenommen 2014 © picture alliance / dpa / Fabio Frustaci / Eidon
Von Manuela Reichart · 14.09.2015
Robert de Niro ist zweifelsohne einer der ganz großen Schauspieler. Wie und warum er Kinogeschichte schrieb, veranschaulicht Shawn Levy eindrucksvoll in seiner "Robert de Niro"-Biografie. Spannend sind vor allem die Kapitel zum Karrierestart des heute 72-jährigen Stars.
Er ist einer der bedeutendsten Filmschauspieler seiner Generation, auch wenn er in den letzten 15 Jahren zu viele schlechte Filme gedreht hat: Robert de Niro hat seine Rollen nicht nur gespielt, er hat von ihnen Besitz ergriffen.
1995 standen sie endlich gemeinsam vor der Kamera: In dem Film "Heat" von Michael Mann spielt Al Pacino den Polizisten und Robert de Niro den Gangster. Später fasste der Regisseur die Qualitäten seiner beiden Stars zusammen: "De Niro versteht die Rolle als Konstruktion. Er arbeitet unglaublich hart, Detail für Detail, Stück für Stück. Er baut den Charakter auf wie der Architekt I.M.Pei ... Al ist eher wie Picasso. Er starrt mit unglaublicher Konstruktion stundenlang die leere Leinwand an. Und dann gibt es eine Reihe Pinselstriche. Und schon wird die Figur lebendig."
In dem ersten gemeinsamen Film, der sie berühmt machte, in Copplas "Der Pate 2" hatten die Beiden zwei Jahrzehnte früher keine einzige gemeinsame Szene. De Niro spielte den jungen Vito Corleone, also die Figur des alten Mafiabosses, die zwei Jahre zuvor genial von Marlon Brando verkörpert wurde. Pacino war der jüngste Sohn, der ungewollt die Nachfolge des Vaters antreten muss.
Wie de Niro es schaffte, Brandos Sprechweise und Haltung nicht zu imitieren, sondern zu verjüngen und auszufüllen, dafür wurde er zu recht mit seinem ersten Oscar belohnt. Von diesem Augenblick an war der damals 30-jährige Schauspieler ein Star und drehte in der Folge – vor allem mit Martin Scorcese – eine Handvoll Filme, die für immer ins Kinogedächtnis eingeschrieben sind: "Taxi Driver" (für den er den New Yorker Taxischein gemacht hatte) oder "Wie ein wilder Stier" (für den er erst zum durchtrainierten, dann zum fetten Boxer wurde).
Bis an die Grenzen psychischer und physischer Belastbarkeit
In der umfangreichen Biografie des amerikanischen Journalisten sind denn auch die Kapitel über den Beginn dieser großen Schauspielerkarriere die spannendsten. Wie und warum Robert de Niro Kinogeschichte schreibt, dieses Ausnahmetalent seine Arbeit so ernst nimmt wie wenige, wie er sich akribisch auf jede Rolle vorbereitet und dabei an seine physischen und psychischen Grenzen geht, das ist eindrucksvoll. Sofort möchte man diese frühen Filme einmal mehr sehen, die Levy genau und kenntnisreich beschreibt. Später wird dann die Geschichte fader, weil auch die Filme fader werden. Warum de Niro anders als sein Kollege Pacino in so vielen schlechten Filmen in späteren Jahren spielte, das kann auch der Biograf nicht beantworten. Ums Geld alleine kann es nicht gehen. Zumal der 72-jährige Star erfolgreicher Immobilienbesitzer und Restaurantbetreiber, Produzent und Regisseur ist.
Autorisiert hat de Niro diese Biografie nicht. Für ein Gespräch stand der notorische Interviewhasser nicht zur Verfügung. Levy konnte aber das umfangreiche Archiv des Schauspielers nutzen, er hat alle Fakten und viele, auch viele überflüssige Details zusammengetragen und entwirft die Lebens-, vor allem aber die Arbeitsgeschichte des inzwischen 72-jährigen Stars.
Dieses gut geschriebene Buch, dem die eine und die andere Kürzung gut getan hätte, erzählt, wie und warum er wurde, was er ist: Einer der ganz großen Kinoschauspieler – auch wenn Al Pacino ihm im Alter den Rang abgelaufen hat.

Shawn Levy: Robert de Niro – Ein Leben
Aus dem Amerikanischen von Friederike Modenhauer
Fischer Krüger Verlag, Frankfurt am Main 2015
670 Seiten, 26,99 Euro

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