Rob Ford: “Web Design. The Evolution of the Digital World 1990–Today”

Als die Bilder im Internet laufen lernten

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Buchcover: "Web Design: The Evolution of the Digital World 1990 - today"
Der Autor Rob Ford gibt einen Abriss der Geschichte des Webdesigns © Cover: Verlag Taschen
Von Anne Kohlick · 22.11.2019
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Vom Flashplayer zur Augmented Reality: Wie Internetseiten aussehen, hat sich seit den 90er Jahren radikal verändert. Rob Ford gibt in seinem neuen Buch einen Überblick über die Entwicklung des Webdesigns bis heute.
"Wir sagen nicht mehr, dass wir online sind - genauso wenig wie wir sagen, dass wir atmen", stellt Webdesign-Experte Rob Ford fest. Das Internet gehört heute so selbstverständlich zu uns, dass wir Abwesenheitsmitteilungen aktivieren, wenn wir ausnahmsweise offline sind. Täglich arbeiten und kommunizieren wir mit Websites und Smartphone-Anwendungen, aber nur selten nehmen wir bewusst wahr, wie sie gestaltet sind.
Den Blick dafür schärft Rob Fords neues Sachbuch über die Geschichte des Webdesigns. Denn seit den 90er Jahren haben sich nicht nur die Geräte, mit denen wir auf das Internet zugreifen, radikal verändert - von Tower-PCs mit Windows95 und Röhrenbildschirm zu Smartphones mit 4K-Display - sondern auch die Gestaltung von Inhalten im Netz.

Rasant bewegte Bilderwelten entstehen

Mit hunderten Abbildungen – die meisten von ihnen Screenshots – und kurzen erläuternden Texten zeigt das Buch: Websites bestanden in den frühen 90er Jahren nur aus Schrift, entwickelten sich aber rasant zu bewegten Bilderwelten, immer komplexer und interaktiver. Zur Website "Elf yourself" von 2006 ist zum Beispiel die Nutzeroberfläche abgebildet, auf der man Fotos von Gesichtern hochladen kann, um sich selbst und seine Freunde als Weihnachtselfen tanzen zu lassen.
Der Autor, selbst Webdesigner, hat im Jahr 2000 die "Favourite Website Awards" begründet. Seitdem durchforstet der mittlerweile 50-Jährige das Netz nach den schönsten und innovativsten Seiten, um täglich eine neue "Site of the Day" zu prämieren. In seinem Buch versammelt Rob Ford jetzt mehr als 600 Websites, die in den letzten Jahrzehnten Standards für Gestaltung, Navigation oder Interaktivität im Netz gesetzt haben - chronologisch geordnet nach ihrem Erscheinen.

Ein Meilenstein ist die Entwicklung des Flashplayers

Das Spektrum reicht von Online-Spielen und Crowdfunding-Plattformen bis zu Musikvideos und Werbe-Seiten. Es geht dem Autor um Pionierleistungen: zum Beispiel die erste Internetseite, die Live-Bilder einer Webcam zeigte. Die Kamera wurde 1993 in einer Kaffeeküche der Cambridge University aufgestellt. Online konnten die Mitarbeiter sehen, ob noch Kaffee in der Glaskanne war oder nicht.
Als Meilenstein schildert Rob Ford die Entwicklung des Flashplayers, der bewegte Animationen möglich machte: Schon 1996 konnte Bart Simpson so auf thesimpsons.com Skateboard fahren und über Polizeiautos springen. Diese Frühzeit des Internets bis 1997 fasst der Autor in einem Kapitel zusammen. Danach widmet er jedem Jahr eine eigene Sektion, die neben herausragenden Websites interessante Fakten zur damaligen Netzwelt liefert: Wie viele Menschen nutzen das Internet? Wie viele Websites existieren? Welche Handys kommen neu auf den Markt?
Rob Ford macht mit seinem Buch Lust, das Internet der Vergangenheit wiederzuentdecken. Es ist eines der wenigen Leseerlebnisse, die mit Laptop auf dem Schoß mehr Spaß machen, als nur mit dem Buch in der Hand. Denn viele der Abbildungen sind zu klein - ebenso wie die deutschen Texte, die man am besten mit einer Lupe liest. In angenehmer Größe gedruckt sind nur die Originaltexte auf Englisch. Daneben stehen eher lieblose, zum Teil wortwörtliche Übersetzungen ins Deutsche und Französische: "Eine neue Welle des Ausdrucks und der Innovation wurde dank Jonathan Gay ausgelöst". Schade, dass dieses Buch sein spannendes Thema nicht noch ansprechender erklärt und bebildert.

Rob Ford: "Web Design. The Evolution of the Digital World 1990–Today"
Herausgegeben von Julius Wiedemann
Taschen, Köln 2019
640 Seiten, 40,- Euro

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