Rikki Stein über Fela Kuti

"Musik war für ihn die Waffe der Zukunft"

Rikki Stein zu Gast in der Sendung "Tonart" im Deutschlandradio Kultur
Rikki Stein zu Gast in der Sendung "Tonart" im Deutschlandradio Kultur © Matthias Horn / Deutschlandradio
Moderation: Olga Hochweis · 14.01.2015
Fela Kuti, ein nigerianischer Saxophonist und Bandleader, gilt als Begründer des Afrobeat. Er starb 1997 an Aids. Aber wer war der Mann? Im Leben und politisch? Ein Interview mit seinem langjährigen Manager Rikki Stein anlässlich der Filmpremiere von "Finding Fela" in Berlin.
Olga Hochweis: Heute Abend findet die Berlin-Pemiere des Films "Finding Fela" statt - eine Dokumentation des Oscar-Preisträgers Alec Gibney über das filmreife Leben und Werk von Fela Anikulapo Kuti und - damit verschränkt - auch über die Arbeit an einem Broadway-Musical, die der großen Musik-Ikone gewidmet ist. Einer, der sowohl in Felas Leben eine zentrale Rolle gespielt hat, als sein Manager und Freund nämlich - und der zugleich mit diesem Musical zu tun hat, als dessen künstlerischer Berater, ist Rikki Stein. Im Film ist er einer der zentralen Interview-Partner. Ich freue mich sehr, Rikki Stein, welcome!
Sie waren lange Jahre an der Seite von Fela Kuti. Gibt es eine Szene, die Ihnen spontan in den Sinn kommt, wenn Sie nach einem ganz typischen Erlebnis mit ihm gefragt werden?
Rikki Stein: Ich denke an ihn immer noch als an einen sehr mutigen Mann. Man trifft sehr selten jemanden, der so rückhaltlos sein Leben riskiert und zwar tagtäglich, jemanden, der diejenigen verteidigt und unterstützt, die den kürzeren Strohhalm des Lebens abbekommen haben. Fela hat jede Form der Korruption angegriffen, Mismanagement, allgemein soziale Ungerechtigkeit und er hat einen sehr hohen Preis dafür bezahlt. Man hat ihn brutalst geschlagen, an seinem ganzen Körper waren Narben. Er wurde an die 200 Mal verhaftet, aber all das hat ihn nicht gestoppt - er lachte nur und meinte, sie haben mich nicht getötet. Das war außerordentlich.
Hochweis: In welcher Phase seines Lebens sind Sie Fela Kuti erstmals begegnet?
Stein: 1980 war das, wir wurden sofort Freunde, ich kann nicht erklären, warum - aber wir lernten uns kennen und waren sofort Freunde, bum bum. In London war das - und daraus wurde eine Freundschaft bis ans Lebensende. Unser berufliches Verhältnis hat sich aus dieser Freundschaft entwickelt, sie war zuerst da.
Hochweis: Kehren wir noch einmal zurück zum Film: Ich hatte es vorhin schon angedeutet: Das Leben von Fela Kuti enthält Stoff für gleich mehrere Filme, da sind seine Anfänge in einer prominenten und sehr gebildeten nigerianischen Familie, da ist das Studium in London, wo er abends in den Jazzclubs unterwegs ist. Da ist sein Kampf mittels Musik, mit Bands wie Africa 70, später Egypt 80, gegen die nigerianische Diktatur, gegen die Militärs, die ihn halbtot schlagen, ihn ins Gefängnis bringen, aber dadurch scheinbar nur noch stärker machen. Da sind die berühmten Yabis-Abende dienstags in seinem legendären Club Shrine in Lagos, wo politische Themen auf der Agenda stehen. Ein wichtiges Kapitel - auch im Film - die Rolle der Mutter, einer prominenten Frauenrechtlerin, die an den Spätfolgen eines Sturzes stirbt, nach einem brutalen Polizei-Einsatz und dem Niederbrennen von Kalakuta Republic, Kutis Kommune. Dann sein Tod 1997 an Aids, und ein Begräbnis mit einer Million Menschen. Bei soviel Stoff: Wieso hat man sich nicht auf das Leben Kutis in dem Film konzentriert, warum wurde seine Biografie mit der Entstehung eines New Yorker Musicals über ihn verknüpft?
Stein: Es fing damit an, dass wir diese Broadway-Show, die eine halbe Million Zuschauer hatte, nach Lagos gebracht haben. 40 Tonnen Technik und Ausrüstung, 80 Leute. Ich war der ausführende Produzent, eine riesige Herausforderung, sehr außergewöhnlich.
Hinzu kommt: Wenn man die Geschichte von Fela in London oder New York erzählt, ist es eine von vielen Geschichten. Aber in Lagos – da ist es die Geschichte, Historie! – vor allem auch für jüngere Leute in Nigeria, die Fela natürlich kennen, was aber nicht unbedingt heißt, dass sie viel über ihn wissen. Dieses Musical erzählt viel davon, wie Fela war.
Wir hatten bei diesem Projekt in Lagos auch eine Filmcrew aus Los Angeles dabei, die das dokumentierten, wie also das allererste Broadway Musical nach Nigeria kommt. Aber ich wusste, dahinter steckt noch eine größere Geschichte. Ich fragte Alex Gibney, den Regisseur des Films, was er vorhaben und er sagte: Finding Fela - Ich will Fela finden.
Es gab dann dieses Filmmaterial, wo wir den künstlerischen Direktor des Musicals, Bill T. Jones dabei begleiten, wie er sich bemüht, seinerseits diesen Fela zu finden, ihn zu fassen, ihn auf die Bühne zu bringen - realgetreu, aber auch in einer interessanten Art und Weise für das Publikum.
Das war Teil ihrer Nachforschung und es schien völlig angemessen, diese Aufnahmen miteinzubeziehen. Obwohl wir an die 2000 Stunden Filmmaterial hatten, das auf zwei Stunden runtergekocht werden musste. War hart, aber ich bin sehr froh darüber, das das Musical Eingang in den Film gefunden hat – auch wenn wir dafür viel kritisiert wurden, von Kritikern, die nur den echten Fela sehen wollten. Aber dieser andere Strang beantwortet auch viele Fragen: Wer er war, wofür er stand, wie er gekämpft hat, welches Leben er hatte und was für ein Mensch er war. In dieser Hinsicht bin ich froh, dass das drin ist.
Hochweis: Es gibt im Film viele Interviewpartner, Sandra Izsadore, seine langjährige Geliebte aus den USA, die ihn mit der Black-Panther-Bewegung, dem Black Pride, vertraut macht, da sind Gespräche mit den Söhnen Kutis, ebenfalls Musiker, Femi und Seun, diverse Wegbegleiter, einige seiner Biografen. Klar wird aus all ihren Statements: So richtig zu fassen ist dieser Mann nicht.
Einerseits ist da diese ungeheure musikalische, politische, spirituelle Kraft, zum andern ist da dieser Mann, der sich bei einer Zeremonie mit gleich 27 Frauen verheiratet, und von diesen als Matratze spricht, ein Mann, der seine Musiker monatelang nicht bezahlt, wie Tony Allen, sein berühmter Band-Partner im Film erzählt.
Da sind die späteren Auftritte mit seinem Art spirituellen Meister, Professor Hindu, der in einem Londoner Club während eines Konzerts eine gefakte Schlachtung vornimmt. Eine Figur, die schwer zu fassen ist, die irritiert. Wie einer der Interviewpartner im Film sagt, he´s not clean, he´s dangerous - haben Sie diesen gefährlichen Fela Kuti auch erlebt?
Stein: (lacht) Nein, ich finde überhaupt nicht, dass er gefährlich ist. Er hatte einfach einen Auftrag, er war einer Idee verpflichtet, was richtiges Handeln ausmacht. Was ein anständiges Leben ausmacht. Das Wort Kompromiss kam in seinem Wörterbuch nicht vor. Vielleicht war er gefährlich für die, denen er gefährlich wurde – aber das war vor allem das Militäregime. Er war kompromisslos darin, seine Musik für seine Botschaften zu nutzen. Musik war für ihn die Waffe der Zukunft – er benutzte dieses Mittel, um sein Werk zu verbreiten. Er war sehr klar darin, man konnte jedes Wort verstehen.
Hochweis: Auch die Art, wie er mit Frauen umging, hat sie nicht irritiert?
Rikki Stein: So radikal er auch war: gleichzeitig war er doch auch ein guter Yoruba-Junge. So ist das eben kulturell in Afrika. Wer bin ich, ihn zu verurteilen? Ich war sein Freund, man kann einem Freund alles Mögliche sagen, mehr oder minder. Aber mein Job war es vor allem, so eine Art Gegengewicht zu schaffen, wenn er wieder was Verrücktes vorhatte, dann hab' ich eher abgewiegelt und er sagte: Ne, ne Herr Vernunft, so hat er mich genannt.
Hochweis: Aber er wollte Sie doch auch als Vergnügungsminister engagieren?
Stein: Eines Tages haben wir einfach so rumgequatscht und ich sagte ihm: ich wäre gern sein Vergnügungsminister, das war nur als Witz gemeint, aber er meinte darauf gleich: Okay, wenn du bereit bist, dafür hart zu arbeiten. Er hat es also gleich ernstgenommen, nicht ich. Das wäre ein toller Job geworden...
Hochweis: Fela Kuti ist heute eine Ikone der Musik - die auch nach 17 Jahren nach seinem Tod sehr lebendig ist. Afrobeat erlebt eine Renaissance, Kutis ehemaliger Partner Tony Allen hat im Oktober eines der besten Alben 2014 vorgelegt Aus Anlass des 75. Geburtstags von Fela Kuti und dem Start der Dokumentation "Finding Fela" wurde sein Gesamtwerk bei Knitting Factory Records veröffentlicht. Die Söhne Femi und Seun halten das Familienerbe lebendig.
Stein: Es gibt heute mehr als 100 echte Afrobeat-Bands in der Welt, in Belgien etwa Baba, sogar eine in Osaka und das sind keine Tribute-Bands! Sie nehmen die musikalische Form des Afrobeat auf und wenden sie an auf ihre eigenen Kompositionen. Ich bin sicher, das hätte Fela gefallen. Was die puristischeren Aspekte des Afrobeat angeht – dafür sind seine Söhne da.
Femi hat seine eigene Band, Positive Force, und Seun hat sogar Felas Band, Egypt 80, einige Leute aus der Originalbesetzung sind heute noch dabei. Und die Söhne reisen pausenlos durch die Welt. Seun hat gerade eine achtmonatige Welttournee beendet, er war überall in Australien, Japan. Beide setzen das Werk ihres Vaters fort, sie schonen sich nicht.
Vor kurzem war ich mit Femi in New York, und der Journalist fragte nach Felas Vermächtnis. Er meinte sein Vater hätte viel einstecken müssen für sein Wirken. Sie dürften heute dasselbe sagen, würden dafür aber nicht einstecken Fela hat einen Weg eröffnet für Dialog, das ist zentral für jede Gesellschaft - dass Leute aussprechen dürfen, was sie bewegt. Heute ist das einfacher, auch in Ländern wie Nigeria, das war zu Felas Lebzeiten nicht möglich.
Hochweis: Aber was würde Fela Kuti heute zu den politischen Entwicklungen in Nigeria sagen, Stichwort Boko Haram?
Stein: Was könnte er dazu sagen? Es ist ungeheuerlich, was diese Leute tun - und das im Namen Gottes. Jede Gesellschaft ist beunruhigend, in der Menschen anderen vorschreiben wollen, was sie tun dürfen oder was nicht. Das ist auch in Nigeria der Fall, auch in vielen anderen Ländern wo Leute die heiligen Schriften in sehr fragwürdiger Weise interpretieren, nicht nur die des Islam, in Uganda geschehen solche Dinge im Namen von Jesus. Es ist herzzerreißend und macht so wütend. Hoffentlich siegt eines Tages die Vernunft. Seine Botschaft ist leider immer noch relevant.