Richterbund kritisiert neues BKA-Gesetz

Moderation: Leonie March · 20.06.2008
Christoph Frank, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, hat erhebliche Bedenken gegen die geplante BKA-Gesetzesnovelle. Das BKA dürfe nun selbst entscheiden, was es einem Richter nach einer Online-Durchsuchung zur Kontrolle vorlege, monierte Frank. Er habe "erhebliche Zweifel, dass das neue System den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht" werde.
Leonie March: Ob Richter das Überwachungsmaterial sichten und private Details löschen sollten, oder ob es zum Schutz der Privatsphäre reicht, wenn BKA-Beamte das übernehmen, das habe ich den Freiburger Oberstaatsanwalt Christoph Frank gefragt. Er ist der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes.

Christoph Frank: Ich habe jegliche Zweifel, dass das jetzt vorgesehene System, das der Polizei selbst überlässt, wann eine richterliche Überprüfung stattzufinden hat, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht wird. Das BKA kann nun in Zweifelsfällen selbst entscheiden, ob es Passagen dem Gericht zur Prüfung vorlegt oder selbst löscht. Das Bundesverfassungsgericht verstehe ich so, dass es eine unmittelbare Nachkontrolle durch die Justiz und nicht durch die Berater selbst will. Es hat deutlich gemacht, dass diese den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts ja unmittelbar berührenden Daten sofort nach ihrer Erhebung zu löschen sind. Und es hat auch hingewiesen auf die herausragende Bedeutung der Kontrolle durch ein unabhängiges Gericht.

March: Hätten die Richter denn genügend Zeit, sich das Material intensiv anzuschauen und darüber zu entscheiden, was zur verfassungsrechtlich geschützten privaten Lebensführung gehört und daher gelöscht werden muss und was nicht?

Frank: Wir müssen sehen, dass es zwar wenig Online-Durchsuchungen geben wird, dass bei diesen Online-Durchsuchungen aber ein unglaubliches Datenmaterial anfallen wird. Wenn Sie an das Datenmaterial im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Sauerländer Terrorzelle denken, dann wurde da Daten in einem Umfang von zirka 3000 CDs sichergestellt, die nun zu überprüfen sind auf Verletzungen des Kernbereichs. Das kann mit dem vorhandenen Personal bei den Richtern und Staatsanwälten nicht geleistet werden. In Deutschland fehlen insgesamt 4000 Richter und Staatsanwälte. Man müsste dann auch die politische Entscheidung treffen, hier Personalverstärkung vorzunehmen.

March: Bisher musste das BKA in der Terrorabwehr mit der Bundesanwaltschaft zusammenarbeiten. Nach dem Gesetzentwurf aber soll auch das sich ja ändern. Das BKA soll alleine präventiv tätig werden können. Welche Konsequenzen hätte das?

Frank: Es findet tatsächlich ein politisch gewollter Paradigmenwechsel statt. Das BKA wird zur Bundespolizeibehörde, die generalpräventiv als Zentralbehörde tätig wird. Bisher war das Bundeskriminalamt unter der Fachleitungsbefugnis des Generalbundesanwaltes. Die jetzigen Zuständigkeiten werden dazu führen, dass im präventiv-polizeilichen Bereich Erkenntnisse gewonnen werden, die auch Relevanz für die Strafverfolgung, für eine Strafverfolgung durch die Generalbundesanwaltschaft haben. Und dann muss in jedem Fall sichergestellt werden, das zeigen die Erfahrungen bei Ermittlungen in den Ländern mit den Länderpolizeien, dass auch über präventiv-polizeiliche Maßnahmen frühzeitig informiert wird, damit der Transfer der dort gewonnenen Erkenntnisse in ein späteres Strafverfahren, bei dem die Bundesanwaltschaft ihre Fachleitungsbefugnis ausüben kann, gewährleistet ist.

March: Nun gibt es ja in der Opposition Befürchtungen, dass sich das BKA sozusagen als Bundespolizei verselbstständigt. Sind diese Befürchtungen gerechtfertigt?

Frank: Es wird darauf ankommen, wie das Bundeskriminalamt mit den neugewonnenen Kompetenzen umgeht. Wenn es seine Aufgabe darin sieht, Strafverfolgung vorzubereiten, dann sehe ich für den Bereich der Strafverfolgung diese Gefahr nicht. Es gibt Länderpolizeien, es gibt jetzt eine Bundespolizei, die präventiv-polizeilich tätigt ist. Wenn sie ausreichend kontrolliert wird, wenn dafür die Voraussetzungen sowohl im präventiv-polizeilichen Bereich als auch im Strafverfolgungsbereich geschaffen werden, dann entspricht das den bisherigen Kontrollsystemen, die sich in den Ländern bewährt haben.

March: Sie haben eben von einem Paradigmenwechsel gesprochen. Kann man unter dem Strich sagen, dass das BKA durch die Novelle mehr Kompetenzen bekäme und die Justiz weniger?

Frank: Das BKA hat mehr Kompetenzen. Die Kompetenzen der Justiz, des Generalbundesanwaltes werden davon unmittelbar nicht berührt. Die Justiz wird die präventiv-polizeilichen Maßnahmen begleiten, überprüfen müssen. Dadurch werden neue Aufgaben auf die Justiz zukommen. Eine Kompetenzbeschränkung sehe ich nicht. Die Justiz hat die Aufgabe zu kontrollieren. Und sie wird die auch künftig wahrnehmen, wenn auch in einem Umfang, der deutlich Personalbedarf nach sich zieht.

March: Aber was ändert sich für die Richter?

Frank: Für die Richter ändert sich im präventiv-polizeilichen Bereich nichts. Wir haben eine weitere Behörde, die Daten erfasst, die Ermittlungsmaßnahmen vornimmt. Dagegen gibt es Rechtschutz, diesen Rechtsschutz gewähren die Gerichte, ein neues Feld der präventiv-polizeilichen Arbeit und haben damit eben auch neue Aufgaben für die Gerichte.

March: Die SPD hat ja jetzt einen ganzen Katalog vorgelegt, was sie gerne noch an Änderungen aufnehmen würde in das Gesetz. Was müsste Ihrer Ansicht nach in dem Gesetz geändert werden?

Frank: Das Gesetz muss klar sein, es muss die Aufgaben klar beschreiben. Es darf keine Zweifelsfragen lassen, die sich jetzt schon absehen lassen. Man muss aber auch sehen, dass es mit den Maßnahmen, die im Gesetz vorgesehen sind, Erfahrungen in den Ländern gibt. Deshalb sehe ich das insgesamt nicht so kritisch wie manche Politiker.

Das Interview zur geplanten Novellierung des BKA-Gesetzes mit Christoph Frank können sie als MP3-Audio bis mindestens 20.11.2008 abrufen.