Richter und Öffentlichkeit

"Wer mit Medien konfrontiert ist, wird dadurch beeinflusst"

Journalisten stehen vor dem Landgericht in Landau.
Mit Spannung erwartet: das Urteil des Landgerichts Landau im Kandeler Mordfall. © dpa/picture alliance/ Andreas Arnold
Volker Boehme-Neßler im Gespräch mit Dieter Kassel · 03.09.2018
Fälle wie der Mord in Kandel durch einen Flüchtling sorgen in der Öffentlichkeit für hitzige Kontroversen. Diese Debatten könnten auch die Richter beeinflussen, meint Volker Boehme-Neßler. Aber man könne etwas tun, um den Einfluss zu begrenzen.
Achteinhalb Jahre Haft für den Mörder der 15-jährigen Mia aus Kandel, einen jungen, mutmaßlich aus Afghanistan stammenden Asylbewerber. Das Urteil war mit großer Spannung erwartet worden, nachdem der Mordfall für hitzige öffentliche Diskussionen gesorgt hatte.
Wie schwer ist es eigentlich für einen Richter, unter solchen Bedingungen ein gerechtes, angemessenes Urteil zu fällen?
Wenn ein Richter auf dem Weg zum Gericht in der U-Bahn die Schlagzeile lese, "der Mörder muss hängen", übe das natürlich Einfluss auf ihn aus, sagt Volker Boehme-Neßler, Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Oldenburg. "Wer mit Medien konfrontiert ist, wird auch davon beeinflusst." Wenn man sich das bewusst mache, könne man diesen Einfluss aber möglicherweise in Grenzen halten.
Volker Boehme-Neßler, Professor für öffentliches Recht, Medien und Telekommunikationsrecht an der Universität Oldenburg.
Volker Boehme-Neßler, Professor für öffentliches Recht, Medien und Telekommunikationsrecht an der Universität Oldenburg.© Deutschlandradio - Andreas Buron
Völlig losgelöst von der Bevölkerung könnten Richter aber nicht arbeiten, so der Oldenburger Jurist weiter. "Und sie müssen auch versuchen, die Bevölkerung zu gewinnen." Das heiße nicht, dass sie ihre Urteile den Stammtischen anpassen sollten: "Auf keinen Fall! Das hatten wir in der Nazizeit, da hieß das 'gesundes Volksempfinden', und das war ein juristisch anerkannter Topos. Also, Gerichte haben tatsächlich Urteile gestützt auf das gesunde Volksempfinden." So etwas wolle man heute nicht mehr.

Der Rechtsstaat braucht das Vertrauen der Bevölkerung

Auf der anderen Seite dürfe die Bevölkerung das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht verlieren, mahnt Boehme-Neßler. "Früher haben Richter gesagt: Das Urteil erklärt sich von selbst. Und das war's. Das funktioniert heute so nicht mehr. Man muss andere Methoden entwickeln, um die Bevölkerung auch mitzunehmen, um dieses Wort jetzt mal zu benutzen, um der Bevölkerung zu erklären: um was geht es hier eigentlich - um dadurch dann Vertrauen zu schaffen."
Denn letztlich gehe es beim Erhalt des Rechtsstaates um nicht weniger als den Schutz unserer Freiheit. "Und da müssen die Gerichte auch daran arbeiten, dass sie sich dieses Vertrauen jeden Tag wieder neu erarbeiten durch ordentliche Urteile, durch gerechte Urteile natürlich, aber auch durch mehr Kommunikation."
(uko)
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