Richter Jan Bergmann

Glück oder Pech für Flüchtlinge

Der Syrer Walid Al Ali (3. v. l.) spricht am 03.08.2016 in Mangolding (Bayern) neben seiner Familie mit Helfern. Der 38-Jährige ist glücklich mit dem Dorfleben in der Oberpfalz.
Das Recht auf Asyl hängt oft vom Richter ab. Deshalb schwanken die Anerkennungsquoten europaweit, aber selbst innerhalb eines Gerichts. © dpa / picture alliance / Armin Weigel
Jan Bergmann im Gespräch mit Frank Meyer  · 08.11.2016
Von einem "Asylroulette" spricht der Richter Jan Bergmann. Er erzählt aus der Praxis und von den Herausforderungen, vor denen die Gerichte in den Asylverfahren heute stehen.
Vor den Verwaltungsgerichten haben in der letzten Zeit vor allem die Klagen der Syrer stark zugenommen. Der Vorsitzendende Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Jan Bergmann, ist spezialisiert auf Asylrecht und sprach im Deutschlandradio Kultur über seine Erfahrungen in der Praxis. Er sieht den Grund für die Zunahme der Klagen vor allem darin, dass die syrischen Flüchtlinge vom Bundesamt oft nicht mehr den vollen Asylschutz erhalten, sondern nur als Bürgerkriegsflüchtlinge anerkannt werden.

Hohe Erfolgsquote

"Das aber hat zur Folge, dass sie zum Beispiel ihre Familien nicht ohne weiteres nachziehen können", sagte Bergmann. "Deshalb klagen viele auf volle Flüchtlingsanerkennung." Bis Oktober 2016 hätten syrischen Flüchtlinge etwa 19.500 Klagen vor deutschen Gerichten eingereicht. Die Verwaltungsgerichte entschieden uneinheitlich, da es um Einzelfälle gehe, sagte Bergmann. Statistisch sei aber die Erfolgsquote sehr hoch. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge versuche dann in die Berufung zu gehen. "Aus der zweiten Instanz, also meiner Instanz hier, gibt es bisher noch keine Entscheidung in Deutschland."

Unterschiedliche Schutzquoten

Bisher gebe es in Europa für Flüchtlinge vollständig unterschiedliche Schutzquoten für Flüchtlinge, sagte der Richter. Ein besonders krasses Beispiel seien die Iraker, von denen mehr als die Hälfte im EU-Schnitt einen Schutz erhielten. "In Griechenland aber nur drei Prozent, in Italien 93 Prozent", sagte Bergmann. Dabei handele es sich um die gleichen Gesetze und die gleichen Schicksale. "Das kann man nicht anders als Roulette bezeichnen und ist natürlich ein rechtspolitischer Missstand." Leider sei das auch in Deutschland so und sogar innerhalb eines Gerichtes, sogar innerhalb einer Kammer. Es sei für die Flüchtlinge Glück oder Pech, zu wem sie kämen. Aber es sei immer noch in zweiter Instanz möglich, das Urteil zu korrigieren.
Die Richterwoche des Bundessozialgerichts in Kassel befasst sich bis zum 10. November mit dem Thema "Flüchtlinge und das deutsche Sozialrecht".
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