Richard Strauss' "Die Liebe der Danae"

Ausstattungsbombe mit Regieverweigerung

Die Oper "Die Liebe der Danae" bei den Salzburger Festspielen
Die Oper "Die Liebe der Danae" bei den Salzburger Festspielen mit Krassimira Stoyanova (l) als "Danae" und Gerhard Siegel als "Midas". © imago/Ernst Wukits
Von Jörn Florian Fuchs · 31.07.2016
Die Oper "Die Liebe der Danae" von Richard Strauss kennt kaum jemand und gilt Insidern als zu lang und sperrig. Bei den Salzburger Festspielen hat Franz Welser-Möst die Musikalische Leitung übernommen und macht die pompös ausgestattete Oper sehr erträglich.
Dieser Salzburger Festspielsommer ist irgendwie seltsam. So spielt man etwa Mozarts intimes Liebesverwirrspiel "Così fan tutte" in der riesigen Felsenreitschule, dazu noch mit kargem Bühnenbild. Hinsichtlich des Programmangebots stellen sich die Festspiele momentan selbst ein Bein: Konzertnovitäten, Premieren, Liederabende, geistliche Musik – vieles findet parallel statt. Man müsste sich zwei- oder dreiteilen, um alles (potentiell) Interessante zu erleben. Nimmt man noch die zahlreichen Empfänge und gesellschaftlichen Verpflichtungen hinzu, so ergibt sich eine fürs sommerliche Salzburg eher ungewohnte Situation: man bekommt reichlich und problemlos kurzfristig Karten, sogar für Anna Netrebko, die sich als konzertante "Manon Lescaut" die Ehre gibt.
Auch die Premiere von Richard Straussens "Liebe der Danae" war nicht ausverkauft. Dies mag am Stück gelegen haben, welches kaum jemand kennt und das Insidern als zu lang und sperrig gilt. Wenn man freilich einen Franz Welser-Möst am Pult der Wiener Philharmoniker hat, wird die Sache sehr erträglich.

Zum einen, weil Welser-Möst überaus rasch dirigiert, zum anderen, da er den häufig sehr kalorienreichen Zuckerguss der Partitur durchs Herausarbeiten vieler Details – etwa scharfen Blechfiguren und bösen Flöten – kontrastiert. Welser-Möst entfacht zwar ein oft heftiges Dezibel-Gewitter, achtet dennoch auf seine Sänger, die sich fast ausnahmslos mit Erfolg schlagen. Tomas Konieczny zum Beispiel, der den Jupiter mit klaren Spitzentönen ausstattet, Krassimira Stoyanova, die mit berauschend schönem, herrlich dunklem Sopran die Danae singt oder Wolfgang Ablinger-Sperrhackes kräftig timbrierter Pollux. Diese Namen lassen schon erahnen, wohin die Reise in dieser "Heiteren Mythologie" (so der Untertitel der Oper) geht – nach Griechenland. Dort lieben Obergott Jupiter und der ihm durch einen Pakt verbundene Midas die superhübsche, jedoch kirchenmausarme Danae.

Die Oper sollte bereits 1944 herauskommen

Midas und Danae werden ein Paar, was bei Jupiter zu großem Grollen führt, am Ende gibt er sich geschlagen und zieht sich – gleich der Marschallin im "Rosenkavalier" – diskret zurück. 1944 sollte die Oper bei den Salzburger Festspielen herauskommen, doch nach der Generalprobe wurde – wegen des Attentats auf Adolf Hitler – nichts daraus. Erst ein knappes Jahrzehnt später gab es die Uraufführung dieses – inhaltlich übrigens gänzlich unpolitischen – Werks. Der Text stammt von Joseph Gregor und geht auf eine Idee Hugo von Hofmannsthals zurück, der damals längst tot war. Hofmannsthal hätte sicher auf manch schrecklichen Reim und manch kitschiges Wortgeklingel verzichtet. Musikalisch blickt Strauss zurück auf sein Schaffen, vieles kennt man und manches wirkt redundant, dennoch zeigt sich vor allem in den Orchesterzwischenspielen und bei den großen (Liebes)Duetten nochmals eindrücklich seine ganze Könnerschaft. Die Wiener Philharmoniker, der Wiener Staatsopernchor und das Sängerensemble beweisen eindringlich, dass das probenintensive Stück den Aufwand wirklich lohnt!
Regisseur Alvis Hermanis äußerte im Vorfeld, er wolle lediglich ein schönes Märchen erzählen. Tatsächlich erlebt man im Großen Festspielhaus ein so wohl bisher kaum dagewesenes Ausstattungsspektakel, mit einem Heer von bunten Turbanträgern, unfassbar viel Geglitzer, einem riesigen unechten Elefanten, einem süßen echten Esel (Midas' treuem Begleiter) und ständig projizierten Mustern und Ornamenten.
Manches erinnert an Jugendstil, anderes führt direkt in orientalische Kitschwelten. Es herrscht viel Gehampel und doch bleibt Hermanis' Personenführung bestürzend schlicht. Das Merkwürdige: wenn einmal momentweise wenig bis nichts geschieht, entwickeln die statischen (Bühnen)Bilder einen starken Sog. Insgesamt ist diese Ausstattungsbombe, samt einem goldglänzenden Bewegungsensemble, jedoch die reine Regieverweigerung. Es bleibt völlig rätselhaft, warum sich der einst so akribische Menschenbeobachter und Seelensezierer Hermanis mehr und mehr zum zweiten Peter Stein entwickelt. Eine wirkliche Inszenierung findet an diesem über dreieinhalbstündigen Abend nur vokal und orchestral statt.
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