Richard Ford: "Zwischen ihnen"

Der Elternliebe auf der Spur

Historische Ansicht eines Motels in den USA und das "Richard Ford"-Cover
Historische Ansicht eines Motels in den USA und das "Richard Ford"-Cover © Imago /Karen Focht / Cover Hanser Verlag
Von Rainer Moritz · 19.08.2017
Zwei Geschichten im Abstand von Jahren verfasst und nun gemeinsam erschienen: Der Schriftsteller Richard Ford erinnert sich an seine Eltern. Entstanden sind zwei Essays über die Liebe.
Wo die althergebrachten Familienmuster nicht mehr dominieren und sich neue Modelle herausbilden, scheint – wie sich derzeit in vielen Literaturen beobachten lässt – das Bedürfnis zu wachsen, sich mit seiner Herkunft, mit seinen Eltern zu befassen und dem nachzuspüren, was diese Bindungen ausmacht. Auch der 73-jährige Richard Ford hat nun unter dem Titel "Zwischen ihnen" zwei Essays zusammengefasst, die im amerikanischen Original die Unterzeile "Remembering My Parents" tragen. Entstanden sind sie im Abstand von fast dreißig Jahren, Anfang der Sechzigjahre, nach dem Tod des Vaters Parker, und Ende der Achtzigerjahre, nach dem Tod der Mutter Edna.
Ford stellt seine unprätentios einherkommenden, stilistisch zurückgenommenen Erinnerungen nebeneinander, kleine Überschneidungen und Wiederholungen bewusst in Kauf nehmend. Es ist ein liebevoller, unsentimentaler Rückblick auf eine ungewöhnliche Familie, und natürlich weiß der versierte Autor Ford darum, welche Überblendungen von Dichtung und Wahrheit zwangsläufig beim Schreiben eines "Memoirs" entstehen. "Nur, es wäre unrecht, wenn ich ihm etwas zuschreiben würde, was ich gar nicht weiß", heißt es gleich zu Anfang, als sich Ford an seinen Vater erinnert, einen gutmütigen, humorvollen, zunehmend korpulenter werdenden Mann, der handwerklich ständig in allen Belangen versagt, jedoch als erfolgreicher Handelsvertreter für eine Wäschestärkefirma selbst die harten Zeiten der Großen Depression übersteht. Ford schmückt nichts aus, lässt sich nicht auf ein weitschweifiges Spekulieren über die emotionale Welt seiner Eltern ein und schafft es gerade dadurch wunderbare, von Eltern- und Menschenliebe geprägte Porträts zu zeichnen.

Zunächst mit einen Ford Tudor auf Tour

Ford Eltern heirateten 1928 jung und führten anfangs alles andere als eine konventionelle Ehe. Von ihrem Wohnsitz in Little Rock, Arkansas, aus, gehen sie in einem bescheidenen Ford Tudor gemeinsam auf Tour, wenn "Daddy" Parker die ihm anvertrauten Produkte an die Kundschaft zu bringen versucht. Dieses ungewöhnliche (Hotel-)Leben ändert sich schlagartig, als sich 1944 überraschenderweise doch noch Nachwuchs einstellt, man in das günstig gelegene Jackson umzieht und Mutter Edna alsbald gezwungen ist, zu Hause zu bleiben. Vater Parker ist für den kleinen Richard vor allem ein Abwesender, dessen Heimkehr am Freitagabend das Familienleben strukturiert.
Fords Erinnerungen an seine Eltern sind von bedingungsloser, selbstverständlicher Liebe geprägt. Er lässt sie in ihren Eigenarten gelten, sieht den Vater als einen Mann, der nie zum Psychologisieren neigte und den Blick stets nach vorne richtete, und die Mutter als eine Frau, die ihr Leben nach dem frühen Tod des Mannes beherzt in die Hände nahm.

Eine wunderbare Kindheit

Richard Fords schmales Buch erzählt vom Verlust und nicht zuletzt davon, dass die Liebe, die seine Eltern füreinander empfanden, nicht von der Existenz ihres Kindes abhing: Alles, was für Fords Eltern "besonders vertraut, bedeutsam und befriedigend" war, spielte "sich fast ausschließlich zwischen ihnen" ab – eine Erkenntnis die für den zurückschauenden Sohn "nichts Unglückliches" an sich hat.
Durch das Schreiben von "Zwischen ihnen" habe sich, schreibt Ford in einer Nachbemerkung, für ihn nichts an dem geändert, was sein frühes Leben ausmachte: "Wenn ich nach meiner Kindheit gefragt werde, sage ich immer, dass sie wunderbar war, dass ich wunderbare Eltern hatte." Das macht den Tenor dieses feinen, ganz besonderen Buches aus.

Richard Ford: Zwischen ihnen
Aus dem Englischen von Frank Heibert
Hanser Berlin, Berlin 2017
144 Seiten, 18 Euro

Mehr zum Thema