Richard Ashcroft: „Natural Rebel“

"Ich bin kein Messias"

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Richard Ashcroft singt auf einem Festival in Mexiko City. © picture alliance / dpa / Sashenka Gutierrez
Von Marcel Anders · 22.10.2018
Richard Ashcroft ist wieder zurück mit einem Solo-Album. Mit seinen zehn Songs rechnet er mit der modernen Musikwelt ab - ohne den Anspruch auf Weltverbesserung. Denn ein Rebell sei er nicht.
"Die Essenz des Rock´n´Roll ist komplett verwässert worden. Daher auch die Langeweile, die wir gerade spüren – und die ich unerträglich finde. Momentan spricht mich einfach nichts an – weder Songs noch Auftritte. Mich erinnert das alles an 'The Stepford Wives'. Es ist alles so ein Fake - wie in dem Film", sagt Richard Ashcroft.
Der große, dürre Mann mit der angewachsenen Easy Rider-Sonnenbrille und der Armee-Jacke zum mexikanischen Fußballtrikot leidet unter gesteigertem Kulturpessimismus. Gleichzeitig erweckt das aber auch den Kämpfer in ihm. Sein fünfter Alleingang "Natural Rebel" ist so simpel und schlicht, dass er geradezu subversiv anmutet: Zehn Songs mit Gitarre, Bass und Schlagzeug, die zwischen altmodischem Rock´n´Roll, Americana und Soul pendeln. Die einen warmen, harmonischen 70s Sound mit Streichern und Orgeln aufweisen. Und einfach zeitlos schön sind.

Musik ohne Gesellschaftskritik

Ashcroft: "Ich mag Alben, die nicht nur klanglich an verschiedene Orte vorstoßen, sondern auch emotional. Bei denen sich der Künstler fragt: 'Wie sollen sich die Leute nach dem Hören fühlen?' Und ich möchte, dass sie auf Wolke sieben schweben. Dass es ihnen genauso geht, wie bei einem Lennon beziehungsweise McCartney-Song, in dem die Strophe vor Zynismus trieft, aber der Refrain einfach Spaß macht. Außerdem ist es wichtig, den Leuten Wege in die Zukunft aufzuzeigen. Oder mal auf Autotune zu verzichten. Nach dem Motto: 'Erinnert ihr euch, wie es war, als Songs noch eine große, starke Stimme hatten – und nach einem menschlichen Wesen klangen'?"
Dreh und Angelpunkt der Songs ist dann auch das menschliche Befinden - in typisch hintergründiger Ashcroft-Manier: Er gibt sich nicht politisch oder systemkritisch, sondern erinnert uns an das Wichtige im Leben: An wahre Liebe, die Schönheit der Natur, wie man den täglichen Wahnsinn meistert und sich nicht von Geld und Gier korrumpieren lässt. Das tut er leidenschaftlich und subtil. Aber er verkauft es - im Gegensatz zu vielen Kollegen – nicht als Mission.

Kein Rock-Rebell

Ashcroft:"Ich mag es nicht, zu predigen. Und ich mag nicht diese Scheinheiligkeit, dieses politische Geschwafel. Ich will einfach nur Musik. Wenn die Leute ihr hartverdientes Geld für mich ausgeben, veranstalte ich da keine Kundgebung. Ich vermeide die Klischees und tue nicht so, als hätte ich den Schlüssel zu allen Problemen. Denn wie würde der in Bezug auf diese Monster – auf die Waffenindustrie, die pharmazeutischen Konglomerate und die High Tech-Firmen – aussehen? Habe ich da eine Antwort? Nein, die habe ich nicht."
Eine Absage an die Bonos dieser Welt – die Rock-Rebellen mit Geheimkonten in Panama und Einkaufszentren in Duisburg. Denen widmet Ashcroft "Natural Rebel", einen Albumtitel voller Ironie - mit dem er keineswegs sich selbst meint. Denn ein Rebell, so der 47-Jährige, der sich gerne in Rage redet, sei er nun wirklich nicht:
"Ich bin glücklich verheiratet mit einer wunderschönen Frau. Ich habe zwei Söhne. Ich hatte lange ein Haus in Südfrankreich, ich mag schnelle Autos, Fußball, Boxen, Musik – das war's. Insofern bin ich kein Messias. Und wenn ich an Deutschland denke, fällt mir als erstes ein, dass ich da mit 200 Sachen über die Autobahn brettern kann. Das ist alles, was mich interessiert – das ist mein Leben."

Vom Party-Löwen zum Lucky-Man

Ein Leben, das in den letzten Jahren einen überraschenden Wandel genommen hat. Denn Ashcroft ist bescheidener geworden. Der Party-Löwe der 90er, der mit Oasis und Coldplay gefeiert hat, ist Schnee von gestern. Seine Band The Verve ebenso. Nur der ehrgeizige Songwriter ist immer noch lebendig.
"Ich bin nicht mehr Coca-Cola – ich bin jetzt Panda Shady oder Panda Cola. Aber es ist derselbe Inhalt. Und ich habe erkannt, dass man sich nicht komplett verändern muss - aber doch besser in dem werden sollte, was man tut. Obwohl: Bei einigen Sachen ist das gar nicht möglich. Also warum sollte ich nach etwas Besserem als 'Lucky Man' streben? Das soll jemand anderes probieren!"
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