RFID-Chips im Klinkalltag

Von Stephanie Kowalewski · 09.08.2007
Für die einen ist es ein Schnüffelchip, der die Menschen ausspioniert, ohne dass sie es merken. Für die anderen ist er ein effektives Instrument zur Kosteneinsparung: Die Rede ist von RFID-Chips, die der Handel bereits seit einiger Zeit einsetzt, um die Logistik effizienter zu gestalten. Und allmählich hält die Technik der "Radio Frequency Identification", also der Funkerkennung, auch Einzug in Kliniken. Die Krankenhäuser hoffen, mit Hilfe der RFID-Technologie die knappen Kassen zu entlasten.
"RFID hat einen grundsätzlichen Vorteil, den es auch von Alternativtechnologien unterscheidet, wie Barcode beispielsweise. Ich kann ein einzelnes Objekt eindeutig identifizieren und zuordnen, oder auch eine Person eindeutig identifizieren und zuordnen.
Wenn ich auf einer Medikamentenpackung einen Barcode drauf hab, und ich scanne diesen Barcode ab, kenne ich die Produktgruppe, weiß welches Medikament das ist. Ich kann es aber nicht runter brechen bis auf eine einzelne Charge oder eine einzelne Pille. Das könnte ich über RFID natürlich machen, wenn ich die Pille entsprechend verblistere.
Und die Hoffnung, die man hat, ist, im Rahmen von Prozessverbesserungen diesen Vorteil der RFID-Technologie nutzen zu können und auch die Kosten im Gesundheitswesen darüber zu senken."

Wie berechtigt diese Hoffung ist, wollten Oliver Koch und seine Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik in Dortmund genauer wissen. Deshalb nahmen sie bundesweit knapp 20 verschiedene RFID-Projekte im Gesundheitswesen unter die Lupe und erforschten Einsatzmöglichkeiten und Potenziale der Funkerkennung im Klinikalltag. Dabei wurden die Funkchips zum Beispiel bei der Wäschesortierung eingesetzt, zur Temperaturüberwachung von Blutkonserven oder bei Dokumentationsprozessen auf der Kinderintensivstation.

"Also RFID ist in ganz vielen Fällen noch im Prototypenstadium, was Anwendungen im Gesundheitswesen angeht. Da sind selten schon fertige Produkte dahinter. Ausnahme ist für mich der Bereich Babyüberwachungssysteme, da gibt es schon marktgängige Produkte.
Das sind Systeme, wo auf Neugeborenenstationen sowohl die Mutter als auch das Baby ein Armband bekommt, ein RFID-Armband, und letztendlich immer dann ein Alarm ertönt, wenn zum Beispiel das Baby ohne seine Mutter den Raum verlässt."

Mit solch einem Babyguardsystem hat auch das Evangelische Krankenhaus Castrop-Rauxel gute Erfahrungen gemacht. Derzeit wird ein neues, verbessertes System installiert. Überhaupt setzt die Klinik, da wo es sinnvoll scheint, auf die RFID-Technik.
Aufzugfahrten zum Beispiel werden durch die Funktechnik effizienter, sagt Frank Tuschmann. Der Leiter der Betriebstechnik erklärt, wie das funktioniert.

"Das bedeutet, dass jedes Krankenbett und auch Transportwagen mit einem RFID-Tag ausgestattet sind. Das ist ein Schildchen in Form einer Folie, auf der ein Transponderchip aufgebracht ist mit einer Antenne. Vor den Aufzügen ist ein Lesegerät angebracht. Die Betten werden im Abstand von ca. einem halben Meter an dieses Lesegerät gebracht, die Steuerung erkennt, dass ein Bett auf eine Aufzugsfahrt wartet."

Durch die Funkerkennung kann das RFID-Etikett verdeckt sein. Ein Vorteil gegenüber dem Barcode, der immer eine direkte Sichtverbindung zum Lesegerät und eine relativ genaue Positionierung braucht. Hat das Lesegerät den Funkchip erfasst, schickt das computergesteuerte System einen leeren Aufzug auf die gewünschte Etage. Ohne RFID kam der Aufzug zwar auch, doch oft war er besetzt – Wartezeiten entstanden. Auch durch die lästigen Zwischenstopps auf den Etagen. Heute hat das Bett im Aufzug dank RFID freie Fahrt, sagt Frank Tuschmann.

"Und das ist bei gemessenen 320.000 Aufzugsfahrten im Jahr natürlich schon immens. Wenn ich mir überlege, ich würde pro Aufzugsfahrt eine Minute sparen, dann wären das schon 5500 Stunden im Jahr, die ich alleine nur dadurch einspare."

Zeit, die das pflegende Personal nun beim Patienten verbringen kann, statt auf den Aufzug zu warten. Auch das Reinigen der Endoskope ist in Castrop-Rauxel RFID-unterstützt. Früher, sagt die Krankenschwester Danuta Raschka, musste der gesamte Reinigungsprozess handschriftlich dokumentiert werden.

"Wir hatten so einen Protokollzettel, da mussten wir handschriftlich draufschreiben welcher Endoskoptyp das war, wer die Vorreinigung gemacht hat, wer das eingelegt hat, wer das wieder raus genommen hat und wer das in den Schrank gelegt hat."

Das kostet Zeit und damit Geld und ist letztlich auch eine mögliche Fehlerquelle. Heute ist jedes Endoskop mit einem Funkchip ausgestattet, und wird automatisch erkannt, sobald es in die Reinigungsmaschine eingelegt wird.

"Und dann müssen wir uns einscannen, derjenige, der das Endoskop eingelegt hat, so dann gibt es ein Piepen und dementsprechend steht mein Name jetzt auf dem Display und dann scannt er das Endoskop."

Danuta Raschka findet, dass die RFID-Technik zumindest bei solchen standardisierten Aufgaben eine erhebliche Arbeitserleichterung ist.

"Das macht die alles alleine, die Maschine, und dementsprechend können wir auch sofort zum Patienten."

Datenschützer und auch manche Gewerkschafter befürchten allerdings, dass durch die Funketiketten nicht nur Prozesse optimiert werden können. Durch das unbemerkte Einlesen von Transpondern, könne auch festgestellt werden, wer was wann in welcher Zeit erledigt. Gefahren, die Frank Tuschmann ebenso sieht.

"Und das wird in Zukunft das größte Problem werden, diese Gratwanderung zu gestalten, wie viel Daten brauche ich wirklich, um Prozesse zu vereinfachen und ab wann ist der Datenschutz deutlich höherwertiger anzusetzen."

Ganz ähnlich klingt das Fazit von Oliver Koch vom Dortmunder Fraunhofer-Institut. RFID ja, aber nicht um jeden Preis und nicht überall.

"Im Bereich Objektidentifikation, Zugänge, auch Logistik - da lassen sich eindeutig positive Aspekte erzielen und da kann man sagen, da wird RFID auch eine Zukunft haben im Gesundheitswesen. Insofern ist es eine Möglichkeit Kosten einzusparen, Prozesse zu optimieren, aber nicht die einzige."