Restaurierungsprojekt am Berliner Bodemuseum

Rettung für kriegsversehrte Skulpturen

Martin Hoernes, Generalsekretär Ernst von Siemens Kunststiftung, Julien Chapuis, Leiter Skulpturensammlung Bodemuseum und Neville Rowley, Kurator und Experte für italienische Renaissance im Bodemuseum stehen hinter der beschädigten Schildträger-Skulptur, die auf einem Tisch liegt
Eine kostspielige und aufwendige Restaurierung soll die beschädigten Kunstwerke retten © Christiane Habermalz
Von Christiane Habermalz · 11.04.2018
Jahrzehntelang lagerten 59 durch einen Brand im Zweiten Weltkrieg beschädigten Kunstwerke im Depot des Berliner Bode-Museums. Dank einer Millionen-Spende können die Raritäten der Kunstwelt nun aufwendig restauriert werden.
Die beiden Schildträger von Tullio Lombardo gehörten eins zum Feinsten, was die italienische Bildhauerkunst der Renaissance hervorgebracht hat. Jetzt liegen die Skulpturen, zwei spärlich bekleidete, lebensgroße Jünglinge, in der Restaurierungswerkstatt des Bode-Museums auf dem Rücken wie verstorbene Patienten in der Pathologie. Amputiert an Unterschenkeln und Armen der eine, vom zweiten sind nur noch einzelne schwärzlich verkrustete Fragmente übrig. Die beiden Skulpturen sind Brandopfer des Zweiten Weltkriegs.
Im Mai 1945 wurde der Flakbunker Friedrichshain, in den die Berliner Museen einen großen Teil ihrer wertvollsten Objekte als Schutz vor den Bomben ausgelagert hatten, durch zwei Feuer komplett zerstört – und mit ihm verbrannten, neben unzähligen Gemälden und anderen Kunstwerken der Museumsinsel, auch die Schildträger. Die große Hitze verwandelte die Marmorskulpturen in bröseligen Kalk, die fein gearbeitete Oberfläche wurde zum großen Teil zerstört. Die Schönheit der Figuren ist selbst in diesem Zustand noch erkennbar.

Verbrannte Skulpturen ein konservatorischer Supergau

"Diese beiden Schildträger sind im Prinzip der konservatorische Supergau. Ob Sie jetzt ein Salzfass eine Woche lang ohne ein Reiskorn stehen lassen in der Küche und das ist dann leicht zusammengebacken, die Kristalle existieren noch, es hat im Prinzip keine Festigkeit, oder ob Sie Ostseesand nehmen, wir haben hier Ultraschallwerte von 0,8 Kilometer pro Sekunde, das entspricht, wenn Sie Ostseesand so ein bisschen zusammen machen… mehr ist es nicht! Das heißt die sind hochgradig gefährdet, überhaupt transportiert werden zu können." erklärt Paul Hofmann, leitender Restaurator des Bode-Museums.
Das Bode-Museum auf der Museumsinsel an der Spree, aufgenommen im Abendlicht in Berlin.  
Das Bode-Museum in Berlin© dpa Wolfram Steinberg
Dank der Ernst von Siemens-Kunststiftung, die eine siebenstellige Summe bereitstellte, gibt es nun eine Chance, dass die Jünglinge wieder in einen Zustand versetzt werden können, in dem sie zumindest wieder in die Vertikale kommen und vielleicht wieder ausgestellt werden können. Insgesamt 59 stark zerstörte Kunstwerke, die meisten davon Kriegsopfer wie die Schildträger, werden derzeit in Berlin restauriert – gefördert auch durch das Programms "Kunst auf Lager", das Kunstwerke in den Depots der Museen wieder ausstellungsfähig machen will.

Millionen-Spende finanziert aufwendige Restaurierung

"Die Werke, um die es sich handelt, sind Werke, die es in dieser Qualität eigentlich nicht mehr auf dem Markt gibt, oder sehr selten", betont Julien Chapuis, Leiter der Skulpturensammlung im Bode-Museum. "Und Sie haben in diesem Rahmen zum Beispiel Donatello, der einer Begründer der Renaissance war, auf diesem Tisch, hier Francesco Laurana, einer der Hauptporträtbildhauer des 15. Jahrhunderts, und Tullio Lombardo, die zwei Schildträger, die wirklich zu den Hauptwerken der venetianischen Renaissance gehören und die auch Jahrzehntelang völlig verschwunden waren – aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, aber auch aus dem Bewusstsein der Kunstgeschichte."
Die meisten der Kunstwerke haben nicht nur den Brand überstanden, sondern auch den Abtransport in die Sowjetunion durch die russischen Trophäenbrigaden 1945. Rund 2,5 Millionen Kunstobjekte wurden damals als Beutekunst und als Kompensation für die deutschen Zerstörungen nach Moskau und Leningrad verfrachtet. Ein Teil der Bestände wurde in den Jahren 1958/59 in die damalige DDR zurückgegeben – darunter auch die Schildträger. Seitdem lagerten sie, in Kisten verpackt, im Depot – zum Teil noch so, wie sie aus Russland zurückgekehrt waren.

In den 50ern kamen Teile der Beutekunst aus Russland zurück

"Diese Problematik der brandgeschädigten Skulpturen war so dominant für das Bode-Museum, dass das Museum eigentlich jahrzehntelang überfordert war." räumt Julien Chapuis ein, Leiter der Skulpturensammlung im Bode-Museum.
2015 machte das Museum mit der Ausstellung "Das verschwundene Museum" auf die Situation aufmerksam – und auf die Tatsache, dass noch immer ein großer Teil der Vorkriegsbestände in Russland vermutet wurde. Vor zwei Jahren dann die sensationelle Nachricht, dass im Moskauer Puschkinmuseum noch 59 Skulpturen, zum Teil ebenfalls stark zerstört, aus dem Bestand des Kaiser-Friedrich-Museums, wie das Bode-Museum früher hieß, existieren, die lange als verschollen galten - darunter Werke von Donatello, Lucca della Robbia und Giovanni Pisano.
Dass die Kunstwerke je nach Berlin zurückkommen, ist wohl ausgeschlossen – Russland hat die Beutekunst 1998 per Duma-Beschluss zu nationalem Eigentum erklärt. Doch gibt es seitdem erstmals einen Austausch zwischen deutschen und russischen Restauratoren und Wissenschaftlern – schon allein das ist ein kulturpolitischer Meilenstein. Denn natürlich haben die Russen die gleiche konservatorische Problematik mit den brandzerstörten Skulpturen wie die Berliner.

Kopf in Berlin, Hals und Büste in Moskau

Die Büste der Madonna von Francesco Laurana mit dem Kopf des Originals und einer Nachbildung des Halses und des Büste
Die Büste der Madonna von Francesco Laurana© Christane Habermalz/Hauptstadtstudio
Manche Figuren wie das wunderbare Bildnis einer in sich gekehrten Madonna von Francesco Laurana ist wahrsten Sinne des Wortes politisch zerrissen. Der Kopf ist in Berlin, Hals und Büste in Moskau. Der Kopf wird derzeit in Berlin restauriert – die Ernst von Siemens Kunststiftung kann sich vorstellen, in einem zweiten Schritt auch die Restaurierung der Büste in Moskau zu unterstützen.
Chapuis ist bereit, auch die jetzt gemachten Erfahrungen und Restaurierungsmethoden weiterzugeben: "Wir empfinden es als eine Verpflichtung der Kunst gegenüber und auch der Menschheit gegenüber, wenn Sie wollen, dass diese Werke die vom Verfall bedroht sind, dass diese Werke auch gesichert werden für spätere Generationen – unabhängig von dem Ort, an dem sie präsentiert werden."
Gut für die Berliner, dass noch eine alte Gipsform der Laurana-Büste existierte. Als Zeichen des guten Willens hat Chapuis auch vom Kopf eine Kopie anfertigen lassen und bei einem der letzten Besuche im Koffer mit nach Moskau gebracht. So kommt doch langsam wieder zusammen, was zusammen gehört.