Restaurant "Herášek"

Der Prager Erbsen-Snack für Simonka

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Petr Smeral in seinem Laden Herasek
Mit einem alten Rezept will er das nötige Geld für die Pflege seiner Tochter verdienen: Petr Smeral in seinem Prager Restaurant "Herášek". © Deutschlandradio / Marianne Allweiss
Von Marianne Allweiss · 17.09.2021
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Ein Vater aus Prag will seine schwerbehinderte Tochter pflegen, bekommt dafür aber nicht genug Unterstützung vom Staat. Also gründet er ein Unternehmen und stellt einen Snack aus Erbsen nach altböhmischem Rezept her.
Im Firmensitz von Petr Smeral am Stadtrand von Prag riecht es nach Fritteuse, auch wenn heute gar kein Produktionstag ist. Ein kleines indisches Restaurant hat der durchtrainierte 50-Jährige mit den zahlreichen Lachfalten in eine Erbsen-Manufaktur umgebaut.
"Ich habe nach einem einfachen Rezept aus einheimischen Zutaten gesucht. Eines Tages habe ich in einem altböhmischen Restaurant ein traditionelles Erbsengericht gegessen – und der Geschmack der knusprigen Erbsen ist mir im Gedächtnis geblieben", erzählt Smeral. Seine Erbsen sind kleiner als erwartet, weniger fettig als gedacht und überraschend knackig. Er mag seinen Erbsen-Snack am liebsten klassisch mit Salz oder süß mit Honig und Zimt.

Erbsen-Snack, salzig oder süß

Noch lieber wäre es Smeral aber, wenn es die Knusperkügelchen gar nicht geben müsste. "Vor meinen Erbsenexperimenten habe ich zwei Jahren lang Politiker und Hilfsorganisationen kontaktiert, um auf meine Situation aufmerksam zu machen. Aber ich habe keine Antwort bekommen."
Smeral wollte keine Erbsen mehr sinnlos gegen die Wand werfen, wie man in Tschechien sagt. Also hat er sie daheim in seiner Küche in die Fritteuse geschmissen und "Herášek" erfunden. Der Name seines Snacks klingt fast wie Erbse auf Tschechisch, ist nur leichter auszusprechen – gerade für Kinder.
Für seine Tochter ist Smeral zum Produktentwickler geworden. "Die Idee entstand, als ich plötzlich allein mit meiner Tochter war und sich ihr Gesundheitszustand so verschlechtert hat, dass wir beide zu Hause bleiben mussten."

Extrem seltener Gendefekt

Seine Frau hatte sich von ihm und dem gemeinsamen Kind getrennt. Simona oder Simonka, wie er sie liebevoll nennt, hat einen extrem seltenen Gendefekt. Ihre epileptischen Anfälle häuften sich, sie wurde immer schwächer, konnte nicht mehr in eine Einrichtung für Kinder mit Behinderungen gehen. Der Manager einer großen IT-Firma musste seinen Job aufgeben.
"Hier gibt es keine medizinische Pflege, die Eltern solcher Kinder hilft", sagt Smeral. "Also blieb mir nichts anderes übrig, als mir etwas auszudenken, damit ich Geld verdienen konnte."
Eine Spendenaktion im Internet wollte Smeral schon abbrechen, doch am Ende erhielt er mehr Unterstützung als erhofft. Er konnte das kleine Restaurant mieten, in der Küche eine Frittier- und Röststation einrichten und den Speiseraum in einen Treffpunkt für Familien mit pflegebedürftigen Kindern verwandeln.
Petr Smeral in seinem Restaurant in Prag
Petr Smeral hat in seinem Restaurant eine Kuschelecke für Simonka und andere Kinder eingerichtet.© Deutschlandradio / Marianne Allweiss
In der Spiel- und Kuschelecke mit dem herabhängenden Therapietuch fühlt sich auch seine Tochter wohl, erzählt Smeral. Ihren letzten Besuch vor einigen Wochen hat er mit dem Handy festgehalten: "Hier ist Simonka mit Freunden in den Räumen von 'Herášek'. Ich mache vor allem Fotos, wenn sie lacht. In letzter Zeit geht es ihr nicht gut, aber sie lächelt uns trotzdem ständig an. Sie ist ein Sonnenschein."

Dann strahlen ihre Augen

Wie 18 sieht Simonka nicht aus: Sie ist klein und zart, hat große wache Augen, die Ähnlichkeit mit ihrem Vater ist erstaunlich. Sie lebt im Körper eines neunjährigen Mädchens und ist mental auf dem Stand eines anderthalbjährigen Kindes, wie Smeral erklärt.
Seit kurzem liegt sie im Krankenhaus, musste operiert werden. Etwas besser geht es ihr schon. Die knusprigen Erbsen konnte sie davor schon nicht mehr kauen. "Sie steht aber hinter dem Projekt. Wenn ich 'Herášek' sage, dann strahlen ihre Augen", berichtet der Vater. "Sie versucht dann, das Wort auszusprechen und sagt am Ende immer 'Ja, ja, ja'. Ich spüre, dass ich die positive Energie, die dieses Projekt gibt, mit zu Simonka nach Hause bringen kann."
Für den alleinerziehenden, pflegenden Vater war die Sache mit den Erbsen am Anfang eine Therapie: Er kam auf andere Gedanken. Jetzt ist es ein Geschäft. Eines, das nicht ihm, sondern Simonka gehört. Auch die schwerbehinderten Kinder von sechs anderen Familien sind beteiligt. Sie sollen Finanzreserven haben, falls ihm oder den anderen Eltern etwas zustößt. Rentabel ist das Unternehmen noch längst nicht.

Eine Erbsenfarm gründen

Smeral denkt aber schon weiter: "Wir überlegen jetzt, Investoren anzusprechen, damit wir außerhalb von Prag eine Erbsenfarm gründen. Mit Wohnungen für Familien mit behinderten Kindern, mit Tieren und mit einer riesigen Frittieranlage."
Mit seiner neuen Freundin, einer alten Bekannten aus Studienzeiten, will Smeral die Idee seines Sozialunternehmens als Nächstes über die Grenze in die Slowakei exportieren – damit der Erbsensnack auch dort Familien mit schwerkranken Kindern Einnahmen und Hoffnung schenkt.
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