Republikaner Charles King Mallory

"Ich rechne mit der Vernunft der Amerikaner"

Demonstranten am US-Capitol in Washington während des Women's March für Frauenrechte am Tag nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump.
Menschen demonstrieren während des Women's March für Frauenrechte am Tag nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump. © AFP - Jim Watson
Charles King Mallory im Gespräch mit Dieter Kassel · 01.02.2017
Wer kann Donald Trump jetzt noch stoppen? Charles King Mallory, selbst US-Republikaner, hebt die Stellung der amerikanischen Gerichte hervor - und rechnet damit, dass seine Partei die Mehrheit bei den Zwischenwahlen verlieren könnte.
Dieter Kassel: Viele Menschen haben nicht erwartet, dass Donald Trump die amerikanische Politik so schnell so radikal verändern würde, denn so mächtig ein US-Präsident auch ist, viele seiner Entscheidungen müssen vom Kongress bestätigt werden. Donald Trump versucht das umgehen, indem er bisher im Wesentlichen per Dekret regiert, mit sogenannten Executive Orders. Das ist völlig legal und auch prinzipiell nicht neu, aber in diesem Umfang in so kurzer Zeit schon am Anfang einer Amtszeit doch ohne Beispiel.
Ich bin jetzt live mit Charles King Mallory verbunden. Er ist Sicherheitsexperte bei der Rand Corporation, einem unabhängigen Thinktank, und war zuvor Politikberater und unter anderem auch viele Jahre lang Leiter des Aspen Institute in Berlin. Und er ist Republikaner. Schönen guten Morgen, Herr Mallory!
Charles King Mallory: Guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Hat eigentlich in der amerikanischen Bundespolitik jetzt im Moment noch irgendjemand anders Macht außer Donald Trump?
Mallory: Doch, doch, es gibt eine Spaltung der Mächte in den Vereinigten Staaten. Wie sie höchstwahrscheinlich gesehen haben, gab es schon eine Erklärung von zwei Gerichtshöfen, die die Verfügung von Herrn Trump wegen Immigration gestoppt haben. Insofern gibt es schon eine Bremse hier in Amerika.

"Er setzt ein Signal gegen die Washingtoner Elite"

Kassel: Aber diese Executive Orders, diese präsidialen Verordnungen, die er nutzt, die sind ja überhaupt nicht unüblich. Barack Obama hat das relativ intensiv ja auch getan während seiner Amtszeit, und er war auch bei Weitem nicht der Erste, aber normalerweise nutzt man solche Executive Orders doch, wenn man zum Beispiel Republikaner ist und die Demokraten haben die Mehrheit im Kongress oder eben umgekehrt. Warum nutzt Donald Trump das so intensiv, obwohl seine Partei doch in beiden Kammern eine Mehrheit hat?
Mallory: Er will ein Signal setzen an seine Wählerschaft, dass die Sachen sich wirklich in der Tat in Washington ändern werden. Er möchte auch ein Signal setzen gegen die Washingtoner Elite, dass er über ihre Köpfe hinaus verfügen wird und dass sie sich eher daran gewöhnen sollten.
Kassel: Nun ist die Frage in einem konkreten aktuellen Beispiel, ob ihm das gelingen wird. Er, also Donald Trump, hat vor wenigen Stunden seinen Kandidaten für den Supreme Court benannt, den Juristen Neil Gorsuch. Der muss vom Kongress bestätigt werden, vom Senat bestätigt werden, und da reicht noch nicht mal die Mehrheit der Republikaner, da braucht er noch mindestens acht Stimmen von den Demokraten. Glauben Sie, Gorsuch wird bestätigt werden?
Mallory: Ja, weil leider Herr Harry Reid, der ehemalige Führer des Senats, eine verheerende Entscheidung getroffen hat in der Obama-Administration. Er hat die Regel abgeschafft, wonach 60 Senatoren für einen solchen Kandidaten wählen müssen, und er hat es auf eine einfache Mehrheitsbasis umgestellt. Ich rechne fest damit, dass die Republikaner jetzt den Spieß umdrehen.

"Es schwankt hin und her"

Kassel: Ich hab über Neil Grosuch in wenigen Stunden, seit er offiziell nominiert wurde vom Präsidenten, schon sehr widersprüchliche Dinge gehört. Er sei relativ liberal für einen republikanischen Juristen, sagen die einen, er sei es nicht, sagen die anderen, wie schätzen Sie ihn denn ein?
Mallory: Ich würde sagen eher konservativ. Er richtet sich streng nach dem Wortlaut unserer Verfassung so in dem Muster von Scalia. Ich gehe davon aus, dass er ein sehr konservativer Jurist sein wird und dass diese Wahl von Herrn Trump der erste Schritt ist, den Obersten Gerichtshof konservativ für die nächsten Generationen zu gestalten.
Kassel: Damit haben Sie es ja schon angedeutet. Vorhin haben Sie zu Recht gesagt, es gibt natürlich eine Gewaltenteilung in den USA und ein Alleinherrscher ist der Präsident nicht, aber er ist ja doch sehr, sehr mächtig direkt und indirekt durch solche Entscheidungen. Hat vielleicht der Präsident in den USA zu viel Macht?
Mallory: Na ja, es geht in die eine und die andere Richtung. Nach Watergate gab es einen echten Rückschlag für die Präsidentschaften in den Vereinigten Staaten, und der Kongress hat viel mehr Macht bekommen, weil die Leute so empört waren von den Missbräuchen von Herrn Nixon. Und das hat der Herr Cheney unter Bush versucht, rückgängig zu machen. Also es schwankt hin und her. Herr Trump wird bestimmt versuchen, bei einer solchen gespaltenen Gesellschaft so viel Macht an die Präsidentschaft zu holen wie möglich, aber ich rechne fest damit, dass das auch angefochten wird von den Demokraten und auch an den Gerichtshöfen.
Kassel: Wer kann denn Trump überhaupt noch wirklich stoppen? Er hat Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses – Sie haben schon gesagt natürlich können Gerichte ihn stoppen, aber auch die kann er ja zumindest indirekt beeinflussen. Kann man ihn noch stoppen, kann man ihn in den USA wesentlich beeinflussen in seinen Entscheidungen überhaupt?

Republikaner könnten Mehrheiten in Zwischenwahlen verlieren

Mallory: Doch, doch, ich meine, der Kongress wird zum Beispiel Widerstand zeigen, wenn zum Beispiel der Herr Trump zu schnell die Sanktionen gegen Russland aufheben möchte, das ist schon angekündigt worden. Und es ist sehr üblich hier in den Vereinigten Staaten, dass eine Partei, die eine solche Vormacht gewinnt in den Wahlen, zu weit greift und dann nach zwei Jahren in den Zwischenwahlen ihre Mehrheiten in den ein oder anderen Häusern im Kongress verliert. Und wenn der Herr Trump das auch wiederholt, was mehrfach in der Vergangenheit passiert ist, kann man auch fest damit rechnen.
Kassel: Es gibt natürlich auch intensive Proteste auf den Straßen, an den Flughäfen im Moment konkret in den USA. Welche Rolle spielt denn die Zivilgesellschaft auf diesem Wege oder anderen, ist das alles nur symbolisch oder kann auch die einen Präsidenten, einen Präsidenten wie Donald Trump auf diese Art und Weise beeinflussen?
Mallory: Ich glaube in der Tat, die Zivilgesellschaft kann den Präsidenten wesentlich beeinflussen. Es ist schon sehr klar geworden, dass der Herr Trump sehr empfindlich ist, was die Legitimität seiner Wahl betrifft. Die Tatsache, dass mehr Menschen sich auf den Straßen befanden zwei Tage nach seiner Inauguration als bei seiner Inauguration, ist, glaube ich, tief bei ihm gesessen.
Kassel: Aber es gibt auch Menschen, die zeichnen wirklich eine Dystopie, eine sehr negative Zukunft. Die sehen eine USA, in der Trump seine eigenen Abgeordneten und andere beeinflussen kann auf indirekte Art und Weise durch seine unglaubliche Macht, über seine Geschäftsinteressen. Er hat auch Einfluss auf die Medien. Fürchten Sie überhaupt nicht, dass sich die USA sehr grundlegend – ich sag's mal ganz brutal – sogar weg von einer Demokratie verändern könnten unter ihm?

"Ich rechne mit der Vernunft der Amerikaner"

Mallory: Nein, ich rechne mit der Vernunft der Amerikaner. Ich sehe seine Wahl als eine Art Protestwahl, das haben wir auch nach den Watergate-Skandalen von Nixon gesehen mit der Wahl von Herrn Carter, und ich rechne mit der Vernunft der Amerikaner und mit der Spaltung der Mächte hier, die dafür sorgen wird, dass er nicht zu weit greift. Wir sind immerhin eine offene Gesellschaft – man darf kritisieren, er kann nicht einfach von seinem Oval-Amt das Land regieren, und da hab ich keine großen Befürchtungen.
Kassel: Ein erstaunlich, na, sagen wir nicht optimischer, aber eben nicht pessimistischer Charles King Mallory. Er ist Mitglied der republikanischen Partei und Sicherheitsexperte beim unabhängigen Thinktank Rand Corporation. Herr Mallory, vielen Dank für das Gespräch!
Mallory: Gerne geschehen, Herr Kassel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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