Reporter ohne Grenzen

Erdogan als "Feind der Pressefreiheit"

Präsident Erdogan bei einer Zeremonie am Nationalfeiertag in Ankara
Präsident Erdogan bei einer Zeremonie am Nationalfeiertag in Ankara. Er gehört erstmals zu den "Feinden der Pressefreiheit", so die Organisation Reporter ohne Grenzen. © dpa/picture alliance
Michael Rediske im Gespräch mit Anke Schaefer · 02.11.2016
Die Türkei unter Präsident Erdogan sei auf einem "Kurs in die Diktatur", Michael Rediske von "Reporter ohne Grenzen". Seine Organisation erwarte deutlichere Äußerungen der Bundesregierung zur Lage der türkischen Journalisten.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat den türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erstmals als "Feind der Pressefreiheit" gelistet. Er gehöre zu den zu 35 Staats- und Regierungschefs, Organisationen und Geheimdiensten, die die "Pressefreiheit durch Zensur, willkürliche Verhaftungen, Folter und Mord" unterdrückten, so lautet die heutige Begründung der Organisation.
Die Türkei sei auf einem "Kurs in die Diktatur", sagt der Journalist Michael Rediske, Vorstandsmitglied von ROG, im Deutschlandradio Kultur. Seine Organisation unterstütze viele der in der Türkei in Bedrängnis geratenen Journalisten. So seien auch die Mitarbeiter einer neuen Studie seiner Organisation zu den Eigentumsverhältnissen und Machtstrukturen türkischer Medien derzeit "ziemlich bedroht", berichtet Rediske.

Forderung nach einem Sonderbeauftragten zum Schutz von Journalisten

ROG fordert die Einsetzung eines Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten bei den Vereinten Nationen. So ein Sonderbeauftragter könne unabhängig ermitteln und Fälle öffentlich machen, meint Rediske. Es sei aber fraglich, ob dieses Mittel im Falle der Türkei wirken würde:
"Wenn sich Erdogan, so wie es den Anschein hat, um die Meinungen von internationalen Gremien nicht kümmert – sei es die EU, sei es die UN – wird man natürlich auch keinen unmittelbaren Effekt erzielen können. Aber das ist das, was wir machen können: Wir können sozusagen zeigen, dass Erdogan nichts mehr mit den Werten der westlichen (Welt), die wir universelle Demokratie nennen, zu tun hat. Was er macht, ist: Die Demokratie umzuwandeln in eine Tyrannei der Mehrheit."

Kritik an "flauer" Reaktion der Bundesregierung

Die Abschaffung der Unabhängigkeit der Justiz sei in vielen Ländern vollzogen werden oder nie vorhanden gewesen, etwa in Russland oder auch in China, kritisierte Rediske. Mit der sogenannten "Säuberung des Justizapparates" sei das jetzt auch in der Türkei geschehen. Die Bundesregierung verhalte sich zu dieser Problematik eher "flau" und äußere durch ihren Regierungssprecher Seibert nur die übliche "Besorgnis":
"Wir erwarten schon, wie auch andere Journalisten-Organisationen, dass die Bundesregierung auch einmal Ross und Reiter benennt. Und sagt, für wen sie eintreten und wer da unter Druck steht. Und dass man nicht nur allgemein eine Besorgnis erklärt."
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