Rente ab 68

Sozialpolitischer Sprengstoff

07:47 Minuten
Schattenriss: eine Person schiebt einen Rollstuhlfahrer
Die Gesellschaft in Deutschland altert. Das bringt das umlagefinanzierte Rentensystem in Bedrängnis. © imago / imagebroker
Moritz Kirchner im Gespräch mit Nicole Dittmer · 09.06.2021
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Der Vorschlag, das Rentenalter auf 68 Jahre zu erhöhen, sorgte nur für eine kurze Debatte, bevor die Parteien ihn gleich wieder beerdigten. Der Politikwissenschaftler Moritz Kirchner vermutet dahinter eine Art "Testballon" der Bundesregierung.
Die Rente mit 68 Jahren war in den letzten Tagen im Gespräch. Hintergrund: ein Gutachten von 39 Expertinnen und Experten im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Sie warnten davor, dass die Renten künftig nicht mehr finanzierbar seien.
Denn: Wenn in den 60er-Jahren noch sechs Beitragszahler einen Rentner oder eine Rentnerin finanziert haben, so sind es heute zwei Beitragszahler, die dafür aufkommen müssen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Axel Börsch-Supan war als Leiter des Max-Planck Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik an dem Bericht maßgeblich beteiligt. Er sagte, es müsse bald mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts in die Rentenversicherung fließen, wenn das so weitergehe.
Börsch-Supan vergleicht das Rentenproblem mit dem Klimawandel: "Auch da, hat man sich lange, lange gescheut, die Realitäten ernst zu nehmen und das werden wir jetzt beim demografischen Wandel auch machen müssen."

Testballon der Bundesregierung?

Das Problem sei seit Jahrzehnten bekannt, sagt auch der Politikwissenschaftler und Psychologe Moritz Kirchner. Unangenehme Probleme wegzuschieben, sei aber etwas "zutiefst Menschliches".
Bei der schnell wieder abgeflauten Rentendiskussion handele es sich allerdings nicht um ein "offensives Verdrängen", sondern Kirchner vermutet eher eine Art "Testballon" der Bundesregierung. Nun hätten alle Parteien gesehen, dass es relativ viel Gegenwehr gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters gebe. Der Vorschlag einer Rente ab 68 sei deshalb so schnell wieder vom Tisch.
Kein Wunder, meint Kirchner. Schließliche berge das Thema reichlich sozialpolitischen Sprengstoff: "Menschen sind davon sehr unterschiedlich betroffen." Gerade körperlich anstrengende Berufe könnten nicht bis ins hohe Alter ausgeübt werden. Da könne bei bestimmten Tätigkeiten Altersarmut drohen. Akademiker träfe eine Erhöhung des Renteneintrittsalters sehr viel weniger hart.
(Boussa Thiam / lkn)
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