René Polleschs "Dark Star" an der Volksbühne

Gemeinsam verglüht

Von Scheinwerfern erleuchtet ist die Fassade des Theaters Die Volksbühne in Berlin
Die Volksbühne steht vor großen Veränderungen: Frank Castorf geht, genauso wie René Pollesch © Picture Alliance / dpa / Manfred Krause
Von André Mumot · 09.06.2017
Es ist die letzte Premiere der Volksbühne unter Frank Castorf: René Pollesch darf mit seinem "Dark Star" ran. Das Stück ist nach bewährter Manier konfektioniert, Pollesch collagiert und verfremdet Filmdialoge und soziologische Traktate. Doch dieses Mal geht seine Rechnung nicht auf.
Man kommt aus dem Wehmütigwerden gar nicht mehr raus. Die Castorf-Ära an der Berliner Volksbühne geht zu Ende, mit ihrer allerletzten Premiere. Nun zeigt auch noch René Pollesch eine Abschiedsarbeit und betont, wie losgelöst er inzwischen ist von dem Ort, an dem auch er mit seinen wilden Diskutier- und Echauffierkomödien Theatergeschichte geschrieben hat. Dafür schickt er seine drei Amigos (Milan Peschel, Martin Wuttke und Trystan Pütter), die er bereits im vergangenen Herbst durch zwei Volksbühnen-Diskurs-Abende geführt hat, hoch hinaus – ins einsame Weltall.
"Dark Star" lehnt sich an John Carpenters gleichnamigen Science-Fiction-Film von 1974 an, der selbst bereits eine bizarre Genre-Parodie war, und schnürt, wie immer bei Pollesch, Filmdialoge und soziologische Traktate zusammen, collagiert sie, wandelt sie ab und um. Insofern ist alles beim Alten. Die drei Helden sitzen zusammen, haben viel Zeit und reden, sind müde, zornig, albern, einsam. Über die Expansionsfantasien der Menschheit, die sich nur noch nach innen richtet, reden sie, über den twitternden US-Präsidenten und "den kalifornischen Netzwerkimperialismus". Und weil alle elementaren Technik-Revolutionen von der US-Westküste stammen, werden Beach-Boys-Songs gespielt und Trystan Pütter fliegt mit dem Surfbrett durch den Bühnenhimmel. Ein schöner Augenblick ist das, der daran erinnert, wie leicht und frisch es manchmal zugehen kann in den text- und kopflastigen Pollesch-Inszenierungen.

Holprig, behäbig und trist

Es kann aber auch anders kommen. Dieser Abend, in dem viel in einem Holzkastenraumschiff stattfindet und per Video nach außen projiziert wird, ist leider eher holprig, behäbig und trist. Auch wenn Polleschs langjährige Mitarbeiterin und fabulöse Chor-Einstudiererin Christine Groß eine trockene Ungerührtheit in die Sache bringt und insbesondere Milan Peschel mit clownesken Seitenblicken und selbstironischer Hibbeligkeit für viel Freude sorgt, bleibt "Dark Star" über große Strecken eine unkonzentrierte und beliebige Angelegenheit. Vor allem der großartige Martin Wuttke stammelt sich durch seine endlosen Monologe, scheinbar immer auf der Suche nach dem nächsten Satz, dem nächsten Sinn. Ihm zuhören ist bei dieser Premiere kein Vergnügen, es strengt bloß an.

Doch es ist eben vor allem ein Abschied, auch ein Nachtreten, eine erschöpfte Resignation. "Ist das von Baudrillard – Die Saison 17/18 findet nicht statt?", ätzt Wuttke einmal. Immer wieder ereifern sich die drei Weltraumcowboys darüber, dass es für sie nicht mehr weitergeht, dass sie kein Theater mehr haben, dass sie nicht wissen, wo es für sie jetzt hingehen soll. Sie sind ja schon so weit weg, so weit oben, so weit entfernt von der guten alten Zeit. Das Publikum aber will sie nicht gehen lassen, und René Pollesch erst recht nicht, der hier, an der Berliner Volksbühne, eine eigene Form des Theaters erfunden und zu spektakulären Höhen getrieben hat, in denen jetzt ein Raumfahrer auf dem Surfbrett schwebt und uns fröhlich zuruft: "Ich werde verglühen!"
Mehr zum Thema