Renaissance der Kitsch-Poesie

Vorgestellt von Edelgard Abenstein · 02.06.2005
Die schlesische Rittergutsbesitzerin Friederike Kempner betrieb mit großem Ernst ein Leben lang ihre Profession und dichtete. Zur ihrer Zeit als Kitschproduzentin geschmäht, erleben ihre Gedichte gerade wieder eine Renaissance. Diesmal als Hörbuch gelesen von Katharina Thalbach.
"Der Traum der Poesie. / Der Reiz der Phantasie. / Der Kindheit Glück: / Nichts kehrt zurück. "

Der so genannte gesunde Menschenverstand ist immer komisch. Wenn die deutsche Sprache schon Liebe auf Treibe reimt, so war das für die Dichter der Gründerjahre kein Anlass zur Verlegenheit. Herz passt zu Schmerz, das sah jeder. Schließlich hatte die Lyrik jener Zeit die Aufgaben des Schlagers mitzubesorgen.

"Oh, ist’s denn ganz unmöglich, / - Was doch nicht ganz unsäglich - Dass alles glücklich wär‘? / Oh, wenn’s doch möglich wär‘!"

Die Künste waren im Gebrauch, Gedichte wurden wirklich gelesen, allen voran die der Friederike Kempner. Zwischen 1880 und 1904 erreichte ihr Band mit Gesammelten Gedichten acht Auflagen. Der "schlesische Schwan", wie sie bis heute von ihren Bewunderern spöttisch genannt wird, war damals schon Kult.

"Unnütz lyrisches Gesinge, / Unnütz lyrisches Geklinge / Gehst du mir nicht aus dem Sinn,/ Schreib ich auf’s Papier dich hin. "

Sie beherrschte ihr Metier, sie dichtete sich durch das gesamte Formenrepertoire der gebundenen Rede. Balladen, Sonette, Epigramme, Sinnsprüche, volksliedhafte Strophen, es gab nichts, was sie nicht in Angriff genommen hätte.

"Willst du nach den Sternen fragen,/ Werden sie dir Antwort sagen?/ Schönheit freilich ist es nicht, /Was nur aus dem Staube spricht. / Schön ist nur das Große, Reine, /Meer und Feuer, Sonnenscheine, /Schön ist auch Vergissmeinnnicht /Und ein treues Augenlicht! / Alles Gute, Rechte, Biedre, / Aber alles Andre, Niedre, /Hässlich, scheußlich, ekel ist, / Duftig nimmer ist der Mist."

Dem Guten, Wahren, Schönen stets auf der Spur, hatte sie fraglos einen Hang zum Höheren. Die Spannung zwischen dem mal erhabenen, mal banalen Inhalt und dem stets einfachen Metrum, machen ihre Verse so unnachahmlich reizvoll.

"Dichterleben, Himmelsgabe,/Selbst im Unglück glücklicher - /Als die breiten, kot’gen Pfade / Der Gemeinheit sicherlich. "

Reine Reime, knapper Stil, beheimatet in den Gegenständen, über die der absolute Geist immer schon nachdachte: Ihre Gedichte sind komisch, weil sie angeblich schlecht sind. Aber schlechte Gedichte müssen, so der Lyriker Robert Gernhardt, außerordentlich gut sein, um komisch zu wirken. Denn das eigentlich Komische stellt sich erst ein, wenn die Erwartung des Lesenden unterlaufen wird, es lebt von der Regelverletzung. Egal, ob sie mit Absicht oder unfreiwillig ins Werk gesetzt wird. Und gerade, wenn sie haarscharf danebenhaut, ist die Kempner unwiderstehlich.

"Ihr wißt wohl, wen ich meine, / Die Stadt liegt an der Seine, / Entschieden ist’s die schönste Stadt, / Die man wohl je gesehen hat. "

Die schlesische Rittergutsbesitzerin Friederike Kempner, 1828 geboren, betrieb mit großem Ernst ein Leben lang ihre Profession. Sie meinte, was sie sagte. Und sie machte ihre Rolle als Dichterin immer wieder zum Thema, dieses schöne Geschäft, das über den Alltag hinaushebt und seine Leser, wenn schon nicht zu besseren, dann doch wenigstens zu vergnügteren Zeitgenossen macht. Katharina Thalbach beugt sich über die mehr als hundert Jahre alten Texte und freut sich an deren Naivität. Dabei kommt sie ganz und gar ohne parodistischen Unterton aus, ohne ironisierende Distanz und verhilft so den Gedichten zu einem anrührend komischen Auftritt.

"Poesie ist Leben,/ Prosa ist der Tod, / Engelein umschweben / Unser täglich Brot." "