Religion

Wenn Glaubensfragen vorm Familiengericht landen

Großeltern (links) und Pflegeeltern (rechts) streiten um die kleine Pia. Die Großeltern wollen nicht, dass ihre Enkelin muslimisch aufwächst. Szenenfoto aus dem Spielfilm "Das deutsche Kind", ARD, 4. April 2018.
Großeltern (links) und Pflegeeltern (rechts) streiten um die kleine Pia. Die Großeltern wollen nicht, dass ihre Enkelin muslimisch aufwächst. Szenenfoto aus dem Spielfilm "Das deutsche Kind", ARD, 4. April 2018. © NDR/Banana Tree Film/Daniela Incoronato
Joachim Lüblinghoff im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 05.04.2018
Wer bestimmt, mit welcher Religion ein Kind aufwachsen soll? Im Ernstfall enden solche Fälle vor Gericht. Wie in einem in der ARD gezeigten Fernsehfilm: "Das deutsche Kind". Ein muslimisches Ehepaar möchte das Kind einer nicht-muslimischen Freundin bei sich aufnehmen, deren Eltern laufen dagegen Sturm.
Der Deutschtürke und angehende Imam Cem Balta lebt mit seiner Frau Sehra und der gemeinsamen Tochter Hanna in Hannover. Die junge Familie steht mitten im Leben, zu dem die türkische Kultur ebenso selbstverständlich gehört wie die deutsche. Bei einem Unglück stirbt Sehras beste Freundin, die alleinerziehende Mutter Natalie.
In ihrem Testament hatte sie die Baltas zum Vormund ihrer sechsjährigen Tochter Pia bestimmt. Doch die Herausforderungen, mit denen Cem und Sehra konfrontiert werden, als sie Pia bei sich aufnehmen, erweisen sich als weit größer als erwartet – denn die Großeltern machen Front gegen die "Islamisierung" ihrer Enkelin.

Bei Streit soll ein Elternteil entscheiden

Wie entscheiden Familienrichter in der Realität, wenn es um die Streit-Frage der Religion geht, mit der das Kind aufwachsen soll?
"Wenn sich Eltern über die Religion nicht einigen können, dann kann eine Entscheidung des Gerichts verlangt werden. Wobei es dann nicht so ist, dass das Gericht bestimmt, welche Religion das Kind hat, sondern das Gericht würde in diesem speziellen Fall einem Elternteil diese Frage übertragen. Juristisch ausgedrückt: Das Sorgerecht in religiösen Angelegenheiten", erläutert Joachim Lüblinghoff, Richter am Oberlandesgericht Hamm. Lüblinghoff arbeitet dort auch als Mediator in Familien-Fällen.

Im Mittelpunkt: das Wohl des Kindes

Das Augenmerk der Richter liege auch bei Fragen der Religion stets auf dem Kindeswohl: Wichtig sei, dass das Kind Bindungen, aber auch Widerstandskraft aufbauen könne, "um gesund durchs Leben zu kommen".
Zur Beurteilung würden aber nicht nur Psychologen hinzugezogen, sondern vor allem auch die Kinder selbst befragt – und zwar bereits ab dem dritten Lebensjahr.
Religionsmündigkeit besteht in Deutschland ab dem 14. Lebensjahr. Aber auch vorher könne ein Kind faktisch nicht zur Ausübung einer bestimmten Religion gezwungen werden, sagt Lüblinghoff. Idealerweise sollten sich Familien ohne Gericht, mit Hilfe einer Mediation, in der Relgionsfrage einigen.
(mkn)
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