Rekordgröße des Bundestages

Sind 709 Abgeordnete verfassungswidrig?

Arbeiter schrauben im Bundestag die Stühle für die Abgeordneten der anstehenden Legislaturperiode fest.
Immer mehr: Arbeiter schrauben im Bundestag die Stühle für die Abgeordneten der anstehenden Legislaturperiode fest. © imago stock&people
Sophie Schönberger im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 23.10.2017
Der neue Bundestag wird eine Rekordgröße haben: 709 Abgeordnete, so viele wie noch nie. Das könne die Arbeit unmöglich machen, warnt die Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger. Und es könne sogar verfassungswidrig sein.
In diesen Tagen kommt der neue Bundestag zum ersten Mal zusammen und er wird eine Rekordgröße haben: 709 Abgeordnete gehören ihm an, so viele wie noch nie zuvor. Norbert Lammert, der langjährige Bundestagspräsident, hatte die ganze letzte Wahlperiode wiederholt, dass es dringend ein neues Wahlrecht brauche. Denn da deutete es sich bereits an, dass dieser 19. Bundestag so groß wie nie werden würde. Doch Lammert hat sich damit nicht mal innerhalb der Unionsfraktion durchsetzen können - ein neues Wahlrecht gibt es bis heute nicht.
Diese große Zahl von Abgeordneten mache eine effektive Arbeit unmöglich und widerspricht möglicherweise sogar der Verfassung, meint die Konstanzer Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger. Gesetzlich vorgesehen seien 598 Abgeordnete, sagt sie. Zwar ist diese Zahl willkürlich festgelegt, jedoch: "Das ist eine Beobachtung, die man auch in seinem ganz normalen Umfeld machen kann: Je mehr Leute zusammenkommen, umso schwerer ist es tatsächlich, ein gutes Gespräch zu führen." Das könne man auch in anderen Ländern sehen: Dort sind die demokratisch gewählten und demokratisch arbeitenden Parlamente höchstens bis zu 650 Mitglieder groß. "Darüber wird es schwierig", meint Schönberger.

Die Abgeordneten müssen beschäftigt werden

Doch die parlamentarische Arbeit findet ohnehin eher in den Ausschüssen statt. Doch auch hier lauern ganz neue Fragen mit so einem großen Parlament: "Werden jetzt auch die Ausschüsse größer? Oder wird es eine Vielzahl neuer Ausschüsse geben?", fragt sie. "Das Problem wird nur relativ kleiner, denn die Abgeordneten müssen in Ausschüssen beschäftigt werden. Ich kann nicht alles in die Ausschüsse delegieren, auch das Plenum als solches muss arbeitsfähig bleiben."
In zwei Monaten läuft die Einspruchsfrist ab, innerhalb derer die Bürger beim Bundestag Einspruch einlegen können. Auf diese Weise könnte diese Frage bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Doch wie die Richter dort über die Rechtmäßigkeit dieses Parlaments entscheiden würden, ist vollkommen offen.
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