Reise durch populäre Film- und TV-Produktionen

Von Bernd Sobolla |
Im Berliner Admiralspalast wird die Heimat gefeiert: Das Deutsche Filmorchester Babelsberg spielt ein szenisches Filmmusikkonzert, das den Titel "Grün ist die Heimat" trägt. Nachdem bereits Filmmusiken aus Hollywood-Produktionen erfolgreich in Konzerthäusern gespielt wurden, geht es nun also um den deutschen Film. Dabei wird der Begriff "Heimat" großzügig ausgelegt.
Der Film "Und ewig singen die Wälder" aus dem Jahr 1958 gehört zu den typischen Werken, die das Genre des Heimatfilms schufen und zumindest für Cineasten in Verruf brachten: Ein hartherziger Großbauer im Familienzwist mit einem Großgrundbesitzer, dazu hohe Wälder, tiefe Fjorde, ein Unglücksfall und die Orchestermusik von Rolf Wilhelm. Jene ist aber nur eine von vielen, die im Laufe des Abends zu hören sein werden. Vier Jahre lang hat die Europäische Film Philharmonie an einem Konzept gearbeitet, deutsche Heimat-Filmmusik im Rahmen eines Konzertabends aufzuführen. Ein schwieriges Unterfangen, wie Beate Warkentien, die Geschäftsführerin der Europäischen Film Philharmonie, betont.

"Thema ‚Heimat’ muss man sagen, ist bei uns in Deutschland ein schwieriges Thema. Und so ist das auch die ganze Entwicklung der Geschichte dieses Projektes geprägt, weil sofort Assoziationen in den Kopf kommen. Jeder versteht etwas anderes damit. Man ist etwas empfindlich in diesem Bereich und von daher hat es mehrere Dramaturgen, Regisseure, Ideen gegeben, bis wir nun bei dem Punkt angekommen sind, wo ich sage: Jetzt haben wir das richtige Konzept."

Das "richtige" Konzept besteht aus 21 Titeln, die das deutsche Kino und Fernsehen von 1924 bis heute geprägt haben: Von Guiseppe Becces Musik zu Murnaus "Der letzte Mann" bis hin zur Musik "Die Flucht", die aus der Feder von Enjott Schneider stammt. Wobei die einzelnen Stücke durch eine Geschichte miteinander verbunden werden: Darin spielt Vadim Glowna einen Produzenten, der einen Film mit einer eingängigen Filmmusik machen möchte, damit die Kasse ordentlich klingelt. Ein überforderter Komponist, gespielt von Manfred Callsen, muss diesen Wunsch musikalisch umsetzen und Jördis Triebel in der Rolle einer Schauspielerin, setzt die Geschichte theatralisch um und führt das Publikum von Filmmusik zu Filmmusik.

Dabei wird der Begriff "Heimat" großzügig ausgelegt. Denn natürlich sind die 40er und 50er Jahre vertreten: mit Musik aus "Immensee", "Die Geierwally" oder "Das Wirtshaus im Spessart". Aber ebenso gibt es Filmmusik von Hans Eisler, nämlich zu "Kuhle Wampe", Peer Raben steht für die Werke von Rainer Werner Fassbinder und Nikolaus Glowna, einer der erfolgreichsten heutigen Filmkomponisten, hat unter anderem für seinen Vater den Film "Der Brocken" vertont.

Dem Regisseur des Filmmusikkonzerts, Peter Lund, geht es unter anderem darum, illustrative Filmmusik zu präsentieren, aber ebenso Werke, die man als eigenständige Kunstwerke ansieht. Musik, die die Bilder nicht trägt, sondern kommentiert und dadurch etwas Eigenes entstehen lässt. Man könnte auch sagen, es geht um "wahre" und Ware Filmmusik, einmal mit und einmal ohne H geschrieben. Darum lässt Peter Lund auch seine Protagonisten ringen.

"Sehr spannend. Wir arbeiten uns teilweise durch Textquellen durch und wollen sie mit Leben erfüllen. Und fast alles am Text ist kompiliert, aus wirklichen Originalzitaten. Das merkt man hoffentlich abends nicht mehr. Da wo, Adorno kennzeichnen wir dann doch ab und zu mal. … Aber es ist sehr spannend, weil im Prinzip, die dramaturgischen Kämpfe oder die politischen Kämpfe bieten eine Superbasis für eine gute Dramaturgie. Es wird wirklich gefightet um Musik, um Geschichte, um Politik und um den Begriff Heimat."

Auf diesem Weg kommt Vadim Glowna nach über drei Jahren wieder erstmals auf die Bühne. Und obwohl der 66-jähige Schauspieler, Regisseur, Autor seit rund 40 Jahren fürs Theater und für den Film arbeitet, haben auch ihm die Proben neue Erkenntnisse gebracht.

"Man erfährt auf einmal Dinge, die man nicht beachtet hat oder die einen vorher nicht so interessiert haben. Weil dadurch, dass das auch ein Zeitablauf deutscher Geschichte ist: Wir fangen ja bei 1929 an, Beginn des Tonfilms. Sowie sich eine Musik verändert, gerade auch im politisch, ideologischen Sinn, propagandistische in der Nazi-Zeit, aber auch in der DEFA-Zeit, sind schon die Unterschiede dort. Und das Melodiöse des eher süßlichen Heimatfilms wird ja abgelöst von einer neueren, also mehr dem Expressionismus entsprechenden Musik weitergeführt. Und kommt dann eben sehr schnell auch in die politisch-propagandistische Geschichte."

Etwas irritierend wirkt dabei dennoch, dass der Begriff Heimatfilm-Musik so weit gefasst wird, dass "Münchhausen", "Winnetou" und "Das Sandmännchen" darin Platz haben. Ja, sogar die "Raumpatrouille Orion" - eigentlich meist in anderen Sonnensystemen unterwegs - wird da noch hineindefiniert. Während gleichzeitig das größte und wichtigste Epos des Deutschen Heimatfilms, nämlich "Heimat 1-3" von Edgar Reitz übersehen wird, beziehungsweise die Filmmusik dazu von Nikos Mamangakis und Michael Riessler nicht erklingt.

Es wäre wohl präziser gewesen, wenn man den Abend schlicht als "Reise durch populäre Film- und TV-Produktionen" bezeichnet hätte. Unabhängig davon glaubt Beate Warkentien von der Europäischen Film Philharmonie, dass wir künftig noch viel öfter Filmmusik im Konzert erleben werden.

"Die Entwicklung ist natürlich ganz klar: Die Orchester, wenn man jetzt mal von der orchestralen, symphonischen Filmmusik ausgeht, das ist ja die Kunstform, die symphonische Kunstform des 20. Jahrhunderts. Und Orchester suchen danach, neue Programme zu entwickeln, die auch neues, breites oder auch jüngeres Publikum an ihr Haus bringt. Und das sind die idealen Einstiegskonzerte auch für jüngeres Publikum. In der Hoffnung, dass diese dann auch in andere Konzerte gehen."