Reinhard Dettmann, Physiker und Bürgermeister

Der Netzwerker von Teterow

Der ehemalige Bürgermeister von Teterow: Reinhard Dettmann
Der ehemalige Bürgermeister von Teterow: Reinhard Dettmann © Bernd Wüstneck
Moderation: Matthias Hanselmann · 03.07.2018
Reinhard Dettmann ist ein Macher. Der Physiker lenkte 28 Jahre lang als parteiloser Bürgermeister die Geschicke der Stadt Teterow in Mecklenburg-Vorpommern. Er lockte Technologie-Unternehmen an, bekämpfte die Landflucht und das Erstarken der AfD.
Neben den Motorradrennen auf dem Bergring der Stadt sind es inzwischen vor allem die sieben Hochtechnologie-Unternehmen, die den guten Namen der Stadt begründen.
Reinhard Dettmann pflegte die Kunst des Netzwerkens in Teterow, indem er alle Teile der Gesellschaft einband: von den Kindern und Jugendlichen über die Sozialarbeiter, Künstler, Wissenschaftler, Unternehmer und Gewerbetreibenden bis zu den Senioren. Dabei ging er immer wieder neue Wege. Er führte zum Beispiel den Rathaustag ein. Dazu lud er jedes Jahr zum ersten Freitag nach Frühlingsanfang Vertreter der Wirtschaft, der Kultur und der Gesellschaft ins Rathaus ein, auf dass sie sich begegnen:
"Nach der Wende kam dieser Privatisierungsprozess. Die GmbHs und GbRs einzuladen, die sich damals gründeten, das war mir sehr wichtig. Es kamen auf der anderen Seite auch die Fragen nach der Zukunft der Museen und der Kultur und der Zukunft der Sportmannschaften. Diese Leute mit ihren Fragestellungen zusammenzubringen, darum ging es mir."

Landflucht trotz wirtschaftlichen Erfolgs

Schon Mitte der 1990er-Jahre habe er sich bei der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern für die Ansiedlung von Hochtechnologie-Unternehmen in Teterow eingesetzt, sagt Dettmann. "Ich erinnere mich, dass wir beim Wirtschaftsminister saßen und er mich fragte ‚Herr Dettmann, warum in Teterow?‘ und ich sagte spontan: ‚Warum nicht?‘." Für die Entscheidung von Unternehmen, sich ausgerechnet in Teterow niederzulassen, seien seine Kontakte zur Universität Rostock, an der er vor seiner Bürgermeister-Zeit viele Jahre als Physiker im medizinischen Bereich tätig gewesen war, entscheidend gewesen. Dettmann ist stolz darauf, dass sich Teterow während seiner Amtszeit zu einer Keimzelle der blühenden Gesundheitswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern entwickeln konnte. In seinem Ruhestand wolle er nun Botschafter dieses Konzepts sein und es weiter bekannt machen.
Trotz der Blüte von Wirtschaft, Bildung und Kultur macht sich auch in Teterow die Landflucht bemerkbar. "Die Statistik ist da unerbittlich", räumt Dettmann ein. Früher lebten 11.300 Einwohner in der Stadt, heute noch 8500. Das liege etwa zur Hälfte an einem Rückgang der Geburtenrate und zur anderen Hälfte an der Abwanderung. In den vergangenen zwei, drei Jahren habe es allerdings wieder etwas mehr Zuzug in Teterow gegeben. "Aber die Geburtenrate ist viel niedriger als in DDR-Zeiten, das muss man so sagen. Die jungen Leute haben beruflich und im Erkennen der Welt ganz andere Vorstellungen, auch das hat man zu akzeptieren."

Die AfD wird zweitstärkste Kraft

Für ihn als lang gedienten Bürgermeister sei die Frage nach den Wahlerfolgen der AfD in der Gemeinde Teterow eine Herausforderung. Bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern wurde die AfD nach der SPD zweitstärkste Kraft. Bei der Bundestagswahl 2017 stimmten in Teterow 18,3 Prozent der Wahlberechtigten für die AfD. Dabei sei diese Wahlentscheidung nicht als Zustimmung für den weitgehend unbekannten Kandidaten der AfD zu verstehen, sondern vielmehr als eine Äußerung von Protest. Dettmann erklärt sich den Erfolg der AfD in Teterow so: "Auf der einen Seite haben wir uns viel bemüht, die Stadt nach vorne zu bringen, aber es müssen auch Kräfte da sein, die diese Schnelligkeit, diese Globalisierung nicht wollen. Die haben andere Vorstellungen davon, so eine Sehnsucht nicht nach vorne, sondern rückwärtsgewandt."
Einmal im Jahr flatterte die tibetische Fahne am Rathausbalkon von Teterow. Das Leid der 1950 von der chinesischen Volksarmee besetzten Tibeter habe ihn schon immer bewegt, erzählt Reinhard Dettmann. Als die Tibet-Initiative Ende der 1990er-Jahre alle Bürgermeister in Deutschland kontaktierte um zu fragen, ob sie bereit seien als Zeichen der Solidarität am Tag des Überfalls der Chinesen auf Tibet die tibetische Fahne an ihren Rathäusern zu hissen, habe er zugestimmt. Ein Jahr später wurde er zu einem Treffen mit dem Dalai Lama in Köln eingeladen. "Ich durfte ihm die Hand reichen. Mein Gegenüber sollte das Foto machen und kam mit der Einstellung nicht klar. Ich habe immer den Dalai Lama festgehalten, er hat mich gedrückt, ich habe die Kamera rübergegeben und so haben wir eine halbe Minute, Minute da gestanden und uns die Hand gehalten und das war ein Erlebnis des Verbundenseins mit einem Mann, der etwas lebt, was wichtig ist: Gewaltlosigkeit."
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