Regisseurin und Schriftstellerin Nana Ekvtimishvili

Emanzipation auf Georgisch

Die Schriftstellerin Nana Ekvtimishvili auf der Frankfurter Buchmesse
Die Schriftstellerin Nana Ekvtimishvili auf der Frankfurter Buchmesse © Deutschlandradio / David Kohlruss
Nana Ekvtimishvili im Gespräch mit Susanne Führer · 11.10.2018
Ein Land, in dem die Fäuste fliegen, in dem leidenschaftlich gestritten und gefeiert wird, in dem Familie alles zählt, Männer bestimmen und Frauen wenig zu sagen haben: So zeigt uns Nana Ekvtimishvili ihre Heimat Georgien.
Nana Ekvtimishvili könnte ihren Film- und Romanheldinnen als Vorbild dienen: Die Georgierin geht scheinbar mühelos ihren eigenen Weg. Zum Beispiel macht sie preisgekrönte Filme über Frauen, die aus der patriarchalen Ordnung Georgiens ausbrechen ("Die langen hellen Tage", "Meine glückliche Familie"), und sie hat auch einen Roman geschrieben ("Das Birnenfeld").
Die patriarchale Ordnung in Georgien habe sich aber inzwischen verändert, sagte Ekvtimishvili. "Die Frauen in Georgien müssten ihre Stimme erheben und für ihre Rechte kämpfen. Meine Schwester hat mit 17 geheiratet und das hat mich vielleicht davon abgehalten dasselbe zu tun. Die Gesellschaft hat damals in den 1990er-Jahren versucht, dich in eine Schublade zu stecken." Damals sei es unvorstellbar gewesen, ohne Mann zu leben.
In Georgien sei das Gespräch über gesellschaftliche Fragen schon seit langer Zeit im Gange, betonte Ekvtimishvili. "Seit dem 5. Jahrhundert gibt es georgische Literatur. In den ältesten literarischen Werken werden Fragen nach Geschlechtergleichheit, Feindbilder, Liberalismus, Demokratie und Fremdenhass gestellt. Das alles ist in georgischer Literatur vertreten. Wir wollen daran anknüpfen und weiter die europäische Geschichte mitgehen."

Zum Entspannen zieht es sie nach Berlin

"Ich bin ein sowjetisches Kind", erzählte Ekvtimishvili. Sie wuchs mit ihrer Mutter und ihrer Schwester auf. "Ich habe diese Zeit als ruhige Zeit erlebt, aber auch mit vielen Verboten." Als die Sowjetunion zerfiel, war sie ein Teenager. Damals habe "einfach nur noch Chaos" geherrscht, erinnert sich Ekvtimishvili. Russische Panzer versuchten, Demonstrationen für die Unabhängigkeit Georgiens zu unterdrücken. "Das war ein Schock für mich. Als Kinder haben wir uns damals nicht so viele Sorgen gemacht, aber die Erwachsenen hatten Sorgen und mussten sich fragen, was essen wir morgen und wie heizen wir morgen."
Heute ist die Schriftstellerin und Filmemacherin auch eine erfolgreiche Geschäftsfrau: Zusammen mit ihrem deutschen Ehemann Simon Groß betreibt sie in Georgien eine Reihe von Eisdielen. Wenn es den beiden in Tbilissi zu anstrengend wird, ziehen sie für eine Weile nach Berlin. Die deutsche Hauptstadt empfinden sie nämlich im Vergleich zum lauten Leben in Georgien als still: "Beides ist Zuhause für mich, Berlin und Tbilissi."
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