Regenwürmer

Lebende Pflüge in der Erde

Von Konrad Lindner · 17.02.2015
Sie lockern den Boden auf und produzieren unermüdlich Humus: Regenwürmer sind wichtig in der Landwirtschaft - und werden es in Zukunft noch mehr werden. Auch dass die Vereinten Nationen das Jahr 2015 zum "Internationalen Jahr des Bodens" ausgerufen haben, lenkt die Aufmerksamkeit auf sie.
Ein geräumiger Kompostplatz auf dem Linke-Hof in Leipzig Baalsdorf. Lange Mieten stehen in Reih' und Glied. Bauer Reinhard Sommer nimmt eine Mistgabel zur Hand. Vorsichtig lüftet er die oberste Erdschicht auf einer der Mieten. Kritisch mustert er die Bodenprobe.
"Da haben wir einen. Das ist also ein Mistwurm, der hier im Komposthaufen abgestorbenes Pflanzenmaterial knuspert und damit zur Umsetzung des ganzen Haufens beiträgt."
Die Regenwürmer sind wichtige Mitarbeiter der Bauern. Unter einem Quadratmeter Boden verlaufen auf einem gesunden Acker etwa ein Kilometer Regenwurmtrassen.
"Die sieht man natürlich relativ wenig und selten, weil die unter der Erde sind und je nach Bodenfeuchtigkeit auch sehr tief sind. Aber sie helfen eben doch sehr bei der Bodenumsetzung und steigern unheimlich die Bodenfruchtbarkeit. Am schönsten sieht man das eigentlich im Spätherbst. Wenn man über den Acker geht und nicht mehr alle Stellen bedeckt sind mit Pflanzenbewuchs, findet man überall die Regenwurmlöcher und daneben die Kothaufen. Das ist ja eigentlich die Bodenfruchtbarkeit pur."
Die lebenden Pflüge im Boden bohren, graben und fressen unermüdlich. Sie produzieren Humus. Lockern den Boden und durchlüften ihn. Alles das wird in den Thünen-Instituten in Braunschweig systematisch erforscht, weil die Zukunft der Landwirtschaft stärker noch als bisher auf die Aktivität der Regenwürmer im Boden angewiesen ist.
Kein Schwächling
Im Johann Heinrich von Thünen-Institut für Biodiversität begegnet man dem Tauwurm oder Gemeinen Regenwurm Lumbricus terrestrisim Labor. Vieles interessiert die Forscher am Regenwurm: Wie sie ihre Gänge ziehen. Aber auch, inwieweit sie zur Entgiftung des Bodens beitragen, indem sie Schadpilze fressen und verdauen, die in Pflanzenresten verborgen sind. Der Zoologe Stefan Schrader steht vor einem Aquariumbecken. Mit der Pinzette zieht er einen dicken Regenwurm aus der Erde. Nicht wie üblich 30 Zentimeter, sondern 38 Zentimeter lang.
"Das ist wirklich ein Prachtexemplar. Was man hier sehr schön sehen kann, das ist für die Art typisch, dass das Vorderende bis zu dem Gürtel pigmentiert ist. Das ist auch der Teil, mit dem der Wurm an die Oberfläche kommt, um tote organische Substanz wie beispielsweise Laub- oder Ernterückstände aufzunehmen, wohingegen das Hinterende ab dem Gürtel im Boden verbleibt. Und deswegen auch nicht gegen UV-Strahlung geschützt ist. Denn die Pigmentierung ist ja immer ein UV-Schutz gegen Sonnenstrahlen."
Eine kräftige Ringmuskel- und Längsmuskelschicht sorgt dafür, dass der Regenwurm kein Schwächling ist. Der Körper ist in Segmente gegliedert. Bei einem ausgewachsenen Exemplar weit über 100 Glieder. Der Geschlechtsapparat besteht aus zwei Paar Hoden sowie einem Paar Eierstöcke. Die Hoden liegen im elften und zwöften Segment und die Eierstöcke im 13. Segment. Die Paarung erfolgt im Boden.
"Regenwürmer sind Simultanzwitter. Das wiederum macht die Fortpflanzung natürlich einfacher. Dass bei der Partnersuche in jedem Fall ein Erfolg garantiert ist, wenn die Gegebenheiten günstig sind, dass es zur Paarung kommen kann. Dann werden wechselseitig die Geschlechtsprodukte ausgetauscht und es kommt zur Befruchtung."
Hochwertiger Dünger aus Pflanzenabfällen
Im Volksmund hält sich der Glaube, dass man Regenwürmer zerteilen kann und dass beide Stücke wieder ein ganzer Wurm werden. Doch das ist ein Mythos. Aber es stimmt, dass Regenwürmer eine sehr hohe Regenerationsfähigkeit besitzen. Solange der Wurm nur den Teil hinter dem Gürtel verliert, kann der Rest nach hinten hin tatsächlich erneuert werden: Ein Überlebenstrick.
Das heißt im Grunde Selbstabtrennung. Und zwar wenn eine Amsel oder irgendein anderer Singvogel versucht, einen Regenwurm aus dem Boden zu ziehen, und er kriegt das Hinterende zu fassen, dann ist es eine Art Schutzreaktion des Regenwurms, sein Hinterende durch Zellkontraktion und bestimmte Kontraktionsvorgänge abzutrennen. Damit kann er sich selber noch retten. Aber der Feind, der Beutegreifer ist auch zufrieden, weil er was bekommen hat.
Die Begeisterung der Thünen-Forscher für den Regenwurm teilt auch Bauer Reinhard Sommer vom Linke-Hof in Leipzig. Viele Bodenorganismen, aber vor allem die Regenwürmer wirken mit, wenn pflanzliche Abfälle in hochwertigen Dünger verwandelt werden.
"Wir züchten die nicht speziell. Sie sind da und wir versuchen, sie zu schonen, indem wir nicht mit ganz so vielen Maschinen auf dem Acker rum fahren. Aber auch mit den Pferden auf dem Acker arbeiten. Mittels Gründüngung und Einarbeitung von Ernteresten füttern wir sie auch ein Stück weit."
Regenwürmer sind Erdarbeiter. Sie gehören zum Kreislauf der Natur dazu. Die Helfer im Boden ersparen den Landwirten einen großen Aufwand an Stahl und Diesel.
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