Regelungen für die Sterbehilfe

Das Recht, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen

Eine Hand radiert die gezeichnete Silhouette einer Person in einem Krankenhausbett weg.
Der Journalist Marc Felix Serrao begrüßt den aktuellen Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe in Deutschland. © IMAGO / Science Photo Library / Fanatic Studio / Gary Waters
Marc Felix Serrao im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 29.01.2021
Das Bundesverfassungsgericht fällte 2020 ein grundlegendes Urteil zur Sterbehilfe. Es spricht jedem das Recht zu, über seinen Tod selbst zu bestimmen. Eine erste parteiübergreifende Vorlage versucht nun eine gesetzliche Neuregelung.
Bundestagsabgeordnete von SPD, FDP und Linke haben eine parteiübergreifende Vorlage zur Neuregelung der Sterbehilfe erarbeitet. Nach dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, wonach jedem Menschen die Selbstbestimmung über sein Sterben zustehe, sieht dieser Entwurf unter anderem ein Netz regionaler Beratungsstellen vor.
Diese sollen prüfen, ob ein schwerst- oder tödlich erkrankter, lebensmüder Mensch die Entscheidung zur Selbsttötung tatsächlich nach reiflicher Überlegung getroffen hat. Auch solle für solche Fälle der Zugang zu entsprechenden Medikamenten ermöglicht werden.
Marc Felix Serrao, Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung" in Deutschland, ist mit dem Schweizer Modell vertraut, das schon seit einigen Jahrzehnten existiert. Etwa ein halbes Dutzend Vereine bieten dort Sterbehilfe an. Serrao begrüßt die aktuelle, parteiübergreifende Vorlage aus Deutschland.

Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

Fest steht für ihn: "Es muss immer alles getan werden – und das hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts auch wunderbar formuliert – um den Betroffenen umzustimmen. Aber in letzter Konsequenz gehört eben die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht."
Immer wieder äußern Kritiker Befürchtungen, auch die letzten Grenzen könnten eingerissen werden, wenn, wie bereits in den Niederlanden möglich, auch solchen Menschen das Recht auf Sterbehilfe eingeräumt wird, die nicht krank sind, sondern einfach nicht mehr leben wollen.

In unserem Programm begrüßte Claudia Bausewein vom Universitätsklinikum München, die auch Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ist, dass durch den Gesetzentwurf die Diskussion um Sterbehilfe wieder aufgenommen wurde. Audio Player

Serrao meint dazu: Ihm seien zu diesem speziellen Aspekt keine belastbaren Zahlen bekannt, er kenne nur Statistiken der Schweizer Organisation Dignitas. "Die Zahl ist über die Zeit nicht signifikant gestiegen", sagt er. Das zeige ihm, "dass die Gefahr, dass die Menschen nun massenhaft den Freitod wählen, nicht gegeben ist". (*)
Porträt von Marc Felix Serrao.
Es müsse immer alles getan werden, um Betroffene umzustimmen, sagt der Journalist Marc Felix Serrao.© (flx.) | NZZ
Zudem gelten in der Schweiz sehr strenge Auflagen, sagt Marc Felix Serrao. Beratungsgespräche über einen längeren Zeitraum seien verpflichtend, um sicherzustellen, ob tatsächlich eine feste Selbsttötungsabsicht vorliege. Die Gespräche fänden immer nur mit der betroffenen Person statt, keine Angehörigen, die etwa Druck ausüben könnten, seien zugelassen.
Vor allem aber: Psychisch Kranke seien von vornherein von der Möglichkeit, sich mithilfe eines Vereins wie Dignitas oder Exit das Leben zu nehmen, ausgeschlossen, so Serrao.
(mkn)

Marc Felix Serrao, 1978 in Hannover geboren, ist Politikwissenschaftler und Journalist. Nach einem Volontariat bei der "Süddeutschen Zeitung" war er dort Medienredakteur und stellvertretender Ressortleiter Gesellschaft und Stil. 2016/17 Wirtschaftsredakteur der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Seit Juli 2017 leitet er das Berliner Büro der "NZZ".

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(*) Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine falsche Zahlenangabe gelöscht.
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