Refugee-Welcome-Theatre an den Münchner Kammerspielen

Große Bühne für Flüchtlinge

Die Münchner Kammerspiele in der Maximilianstraße.
Münchner Kammerspiele: Hier soll bald das Refugee-Welcome-Theatre auch auf der großen Bühne stehen. © imago/ecomedia/robert fishman
Von Tobias Krone · 16.07.2016
Der Intendant der Münchner Kammerspiele, Matthias Lilienthal, hat einen ehrgeizigen Plan: Er will ein unabhängiges Ensemble aus Geflüchteten aufbauen. Gerade bereitet das Refugee-Welcome-Ensemble seine erste Produktion im großen Haus vor.
Malte Jelden: "It is possible for your play that we have the Premiere here in the Kammerspiele.”
Amal Khoury: "Wow!"
Jelden: "So this is the room you like?
Amal: "Fantastic, both of the theatres are very beautiful, that's amazing..."
Die libanesische Dramatikerin Amal Khoury ist hörbar beeindruckt beim Gespräch mit Malte Jelden, dem Leiter des Münchner Open-Border-Ensembles. Ihr Dokumentar-Stück über Transgender in arabischen Ländern wird auf einer Kammerspiele-Bühne Premiere feiern. Doch was sie im Herbst erst einmal erwartet, ist viel Probenarbeit; neben den zeitlichen Koordinierungsschwierigkeiten, die Geflüchtete eben so haben.

"Man muss sich erstmal zuhören"

Malte Jelden: "Maybe if you take some of the actors who are here as refugees, then it can happen that they have to go to their German courses in the day, and then they can only rehearse in the evening.”
Amal Khoury: "I have to go to German classes, too."
Jelden: "You have to go to German classes, too."
Die Geflüchteten im neuen Ensemble wollen ihren Deutschkurs nicht verpassen, deshalb wird Amal Khoury vorrangig abends mit ihnen proben. Was die Truppe von vielen Projekten an deutschen Theatern unterscheidet: Die Mitglieder haben schon in ihren Heimatländern auf oder für die Bühne gearbeitet - egal ob mit Musik, in der schreibenden oder der darstellenden Kunst. Diese Voraussetzung alleine macht aber noch kein gutes Ensemble. Denn schließlich bringen die Geflüchteten ganz unterschiedliche Vorstellungen von Theater mit. So Malte Jeldens Erfahrungen in den ersten Proben.
Jelden: "Man hat kein gemeinsames Verständnis. Man geht nicht auf eine Probe, wie hier im Theater ansonsten, und versteht relativ schnell, wie der andere tickt - sondern das braucht einfach Zeit. Man muss sich erstmal zuhören gegenseitig, man muss sich was zeigen, sich was vorspielen oder vorsingen oder diskutieren, und man muss erstmal rausfinden, wie die eigenen Ansätze eigentlich sind."

Probearbeit in drei Sprachen

Das Ensemble muss Sprachbarrieren überwinden. Dabei hilft die syrische Dramaturgin Rania Mleihi.
Rania Mleihi: "Ich finde meine Rolle ein bisschen witzig, weil ich muss zwischen drei Sprachen springen. So in einem Termin, einem Treffen: Arabisch, Englisch, Deutsch. Und dann manchmal bin ich verloren mit der Sprache, oder die Leute machen Witze auf einer bestimmten Sprache, und ich kann das nicht auf die andere bringen. So, ich bin wie ein Affe - Sprachaffe."
Einige Male ist das Ensemble schon aufgetreten; zumeist im Refugee-Welcome-Café, das die Theaterpädagogin Anne Schulz jeden Montag auf einer Nebenbühne mitorganisiert. Es kommen zwischen 300 und 500 Gäste. Das Verhältnis: ein Fünftel Altmünchner, vier Fünftel Neumünchner.
Schulz: "Wir haben einfach die Notwendigkeit gesehen, Anfang des Jahres, dass so viele Leute neu in der Stadt sind, aber man davon hier in der Innenstadt, an der Maximilianstraße nichts mitbekommt. Und das wollten wir ändern - und haben eben gesagt, wir stellen diesen Raum, diese Kammer Zwei, die stellen wir zur Verfügung. Und es braucht eben gar nicht viel, es braucht ein paar Tische und einen Kaffee und ein paar engagierte Menschen, das reicht schon."

"Lieber ein gutes Sozial- als ein schlechtes Theaterprojekt"

Der Nachmittag in Blickweite zur exklusiven Boutiquenmeile Maximilianstraße ist für alle kostenlos und bietet neben Kulturhäppchen wie Filmen und Konzerten auch Suppe und eine Kontaktbörse für Tandempartner. Kritisch könnte man da fragen: Was hat ein solches Sozialprojekt in einem Theater zu suchen? Intendant Matthias Lilienthal mag solche Fragen überhaupt nicht.
Matthias Lilienthal: "Mir ist völlig wurscht, ob das nur ein Sozialprojekt ist. Mir ist immer ein gutes Sozialprojekt lieber als ein schlechtes Theaterprojekt. Auch dieses Café mit 500 Menschen, von dem man sagen kann: Was hat das mit Theater zu tun. In dem Moment, wo das in dem Bühnenraum stattfindet, wird das zu einer intellektuellen Metapher und hat seine Auswirkung. Theater ist für mich ein Labor, um urbane Lebensformen auszuprobieren, und die Kammerspiele - so wie auch viele andere in der Stadt München - versuchen dort, genau eine zukünftige Gesellschaft des Zusammenlebens von Geflüchteten und Münchnern vorwegzunehmen."
Einige diese engagierten Projekte mit und für Geflüchtete funktionieren nicht, das gibt Matthias Lilienthal offen zu.
Lilienthal: "Ach, Menschen streiten sich, Dinge kommen später, als man denkt. Oder wir hätten uns das ganze auch in einer größeren Kontinuität gewünscht, nur jetzt muss ich wieder die Scheiß-Knete für das Projekt neu auftreiben. Das Leben ist immer kompliziert."
Der Erfolg der Refugee-Projekte ist für Lilienthal nicht entscheidend. Wichtig sei, dass sie gemacht würden. Doch mit dem Ensemble aus Geflüchteten erwächst ein größerer Anspruch. Schaffen es die neuen Münchner, sich auch im Kulturbetrieb einen gleichberechtigten Status zu erspielen? Auch auf der großen Bühne der Kammer Eins? Nur mit weiteren Fördermitteln und dem Rückhalt des Abo-Publikums wird Lilienthals großes Wagnis gelingen.
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