Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Zu viele Hierarchen unter einem Dach

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Die Alte Nationalgalerie in Berlin ist im Licht der aufgehenden Sonne zu sehen.
Mit schlanker Führung voran: Der Wissenschaftsrat empfiehlt, dass Berliner Museen wie die Alte Nationalgalerie künftig in einer eigenen Stiftung verwaltet werden. © Picture Alliance / dpa / Christoph Soeder
Von Christiane Habermalz · 13.07.2020
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Seit rund 60 Jahren kümmert sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz um Kulturgüter aus aller Welt. Nun empfiehlt der deutsche Wissenschaftsrat eine Neuordnung - und mehr Geld, um das Potenzial der Sammlungen auszuschöpfen.
So viel Andrang ist selten in den ehrwürdigen Hallen des Wissenschaftsrates an der Berliner Markgrafenstraße. Normalerweise finden sich hier nach den Sommersitzungen der Organisation ein paar versprengte Fachjournalisten ein. Am Montag war das gesamte Hauptstadt-Feuilleton versammelt. Gekommen waren zudem Kuratoriumsvorsitzende, Stiftungsmitarbeiter und Museumsdirektoren, um zu hören, was die Wissenschaftler zum Zustand der traditionsreichen Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu sagen haben.

Auflösung der Dachorganisation

Und das ist nicht wenig: Die Weiterentwicklung der Stiftung werde derzeit durch "tief gestaffelte Hierarchien und unklare Entscheidungsprozesse" behindert. Die Vielzahl der Einrichtungen und Institutionen unter einem Dach sei "dysfunktional" und führe zu einer "strukturellen Überforderung", so das Fazit der Evaluation.
"Insgesamt sieht der Wissenschaftsrat hier inzwischen einen Punkt erreicht, an dem die Dachstruktur der Stiftung die Weiterentwicklung der darunter versammelten Einrichtungen hemmt und einen angemessenen Umgang mit den Herausforderungen und hohen Erwartungen einschränkt, die heute an Museen, Bibliotheken und Archive in Wissenschaft und Kultur gerichtet werden", sagt Marina Münkler. Die Literaturwissenschaftlerin leitete die 17-köpfige Arbeitsgruppe.
Um die Zukunftsfähigkeit der Museen zu gewährleisten, empfehlen die Wissenschaftler die Auflösung der Dachorganisation in vier unabhängige Einrichtungen: Der Verbund der Staatlichen Museen als unabhängige Stiftung in Trägerschaft des Bundes und des Landes Berlin. Hier soll auch das Staatliche Institut für Musikforschung mit seinem Musikinstrumentenmuseum eingegliedert werden. Daneben sollen die Staatsbibliothek Berlin, das Geheime Staatsarchiv und das Ibero-Amerikanische Institut jeweils unabhängige Bundeseinrichtungen werden.

Autonomie für die einzelnen Häuser

Bislang sind auch alle anderen Bundesländer im Stiftungsrat vertreten, obwohl sie insgesamt nur mit sechs Prozent an der Finanzierung beteiligt sind. Der Wissenschaftsrat empfiehlt hier eine Entflechtung. Die Länder sollen aus der Finanzierung ausscheiden.
Sollten die Empfehlungen umgesetzt werden, wäre das kein Pappenstiel. Kulturstaatsministerin Monika Grütters zeigte sich fest entschlossen, die Herausforderung anzunehmen:
"Fest steht, das wird kein Sprint, das wird eher ein Marathon. Ein Reformprozess, der vielleicht nach drei bis fünf Jahren hoffentlich endgültig in neue veränderte Strukturen münden wird. Denn wenn wir das Stiftungsgesetz ändern wollen, brauchen wir dafür Zeit und natürlich auch einen breiten politischen Konsens."
Weitere Empfehlungen: Die einzelnen Häuser bräuchten mehr Entscheidungsspielraum und finanzielle Autonomie. Innerhalb der Stiftung dürfte das Gutachten von vielen begrüßt werden. Viele sind sich der Probleme und des Veränderungsbedarfs bewusst. Da dürfte es helfen, dass der Wissenschaftsrat die große Leistung der Mitarbeiter und auch der Führungsebene mehrfach würdigte – die Probleme lägen in der Struktur.

Mehr Geld und Personal für Museen von Weltrang

Arbeitsplätze seien nicht in Gefahr. Im Gegenteil: Die Stiftung sei unterfinanziert und es fehle vor allem im Bereich Besucherorientierung an Personal. Trotz ihrer Sammlungen von Weltrang und ihrer großen wissenschaftlichen Expertise blieben die Staatlichen Museen hinter ihrem Potenzial zurück.
"Hier drohen die Museen, den Anschluss an internationale Entwicklungen zu verlieren, und können dem eigenen Anspruch einer internationalen Bedeutung nur eingeschränkt gerecht werden", sagt Münkler. "Das zeigt sich auch an den Besucherzahlen der Häuser und einzelner Ausstellungen, die weit hinter denen vergleichbarer Institutionen, wie etwa dem Pariser Louvre, zurückbleiben."
Für Stiftungspräsident Hermann Parzinger jedenfalls ist das Gutachten ein guter Ausgangspunkt für weitere Diskussionen und "eine riesige Chance":
"Ich glaube, es braucht auch in dieser Phase eine öffentliche Debatte. Wenn mich viele fragen, sind Sie nicht komplett niedergeschlagen, nein, das ist ein Prozess, der den Rest meiner Amtszeit komplett ausfüllen wird. Ich kann nur sagen, wenn ich am Ende die Stiftung oder die Stiftungen, entsprechend finanziell und personell ausgestattet, in viele verschiedene Hände geben kann, dann finde ich das eine großartige Zukunftsperspektive."

Kritik aus dem Außenministerium

Klar ist: Nicht alles wird umgesetzt werden. Viele Fragen sind noch offen. Bei einer Neuordnung der Stiftung werden Bundestag und Länder mitreden.
Erster Gegenwind kommt schon auf: Michelle Müntefering, als Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik Grütters' Pendant im Auswärtigen Amt, lehnt die Auflösung ab. Eine Zerschlagung der Weltmarke Stiftung Preußischer Kulturbesitz sei der falsche Weg, sagte sie dem "Spiegel".
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