Reflektorische Gedichte

Rezensiert von Katharina Döbler · 20.06.2006
Vor allem die Naturgedichte in Hendrik Rosts Werk "Im Atemweg des Passagiers" zeichnet die zarte Akuratesse von Aquarellen aus. Auf diesem Gebiet gelingen Rost auch die schönsten Bilder ("Ein später Igel kam in den Garten, als Versteck/ blieb ihm nur das vertraute Rund des Rückens"). Hier entfernt er sich weit genug von allem, was die skeptische Zeitgeistdichtung an Klischees produzieren mag.
Hendrik Rost, Jahrgang 1969, ist kein unbekannter Dichter mehr: er hat einige renommierte Stipendien und Preisen bekommen und in zehn Jahren vier Bücher veröffentlicht, jedes in einem anderen Verlag. Was einiges über die Verkäuflichkeit von Lyrik im Allgemeinen und der von Hendrik Rost im Besonderen aussagt. Seine Gedichte sind alles andere als eingängig; aber auch alles andere als hermetisch.

Es sind reflektorische Gedichte, die ihre Impulse über unspektakuläre Situationen, Beobachtungen und Wahrnehmungen empfangen. Keimende Kartoffeln etwa, "ganz Zuversicht, natürliche Gegenwehr". Eine solch profane Kleinigkeit genügt, um Gedanken in Gang und das Netz des Wissens und der Vermutungen unter Strom zu setzen. Was die Kartoffel betrifft, heißt das dann: "Ihr entwurzelter Idealismus rührt. / Und ich ohne Patentrezept."

Hier, wie in den meisten Gedichten ist es das dichterische Ich, das auf solche Weise Regie übernimmt und sich ins Benehmen setzt mit den verschiedenen Aspekten der Welt: Ihren natürlichen und kreatürlichen zumeist, aber eben auch höchst zeitgeistigen, kulturgeschichtlichen, beziehungsweise kulturgegenwärtigen.

Vor allem die Naturgedichte zeichnet die zarte Akuratesse von Aquarellen aus. Auf diesem Gebiet gelingen Rost auch die schönsten Bilder ("Ein später Igel kam in den Garten, als Versteck/ blieb ihm nur das vertraute Rund des Rückens"), hier entfernt er sich weit genug von allem, was die skeptische Zeitgeistdichtung an Klischees produzieren mag.

Nicht alle Gedichte in diesem Buch schaffen den Sprung von der ins Dichterische gewendeten Notiz zu dem was man gerne Dichtkunst nennen würde. Aber es sind doch einige und beim Lesen entwickelt man ein sehr deutliches Gefühl für das Gelingen des künstlerischen Quantensprungs.


Hendrik Rost: Im Atemweg des Passagiers. Gedichte
Wallstein Verlag, Göttingen 2006, 91 Seiten