Referendum

Polen stimmen über ihr Wahlrecht ab

Eine Wählerin in Poznan gibt ihre Stimme beim polnischen Referendum über das Wahlrecht und die Parteienfinanzierung ab.
Eine Wählerin in Poznan gibt ihre Stimme beim polnischen Referendum über das Wahlrecht und die Parteienfinanzierung ab. © dpa / picture alliance / Jakub Kaczmarczyk
Von Sabine Adler · 06.09.2015
Seit 6 Uhr morgens und noch bis 22 Uhr sind 27.000 Wahllokale für die 30 Millionen Stimmberechtigten offen. Die Bürger sollen drei Fragen beantworten: Ob sie die Einführung des Mehrheitswahlrechts wollen, ob sie eine Ende der staatlichen Parteienfinanzierung möchten und ob für die Finanzämter künftig gelten soll: Im Zweifel für den Steuerzahler zu entscheiden.
Die Fragen soll mit einem Kreuz bei Ja oder nein beantwortet werden. Niemand muss alle drei entscheiden, es genügen auch ein oder zwei.
Erwartet wird eine geringe Beteiligung, vermutlich rund 30 Prozent, doch über 50 sind nötig, wenn das Ergebnis Gültigkeit haben soll. Das geringe Interesse könnte daran liegen, dass die Polen in diesem Jahr wegen der Präsidentschaftswahl in zwei Abstimmungen und der Parlamentswahl am 25. Oktober ohnehin oft an die Wahlurnen gerufen werden. Wahrscheinlicher aber ist, dass es sich nicht um Fragen handelt, die die Wähler bewegen, von denen das Referendum auch nicht initiiert wurde. Es war Ex-Präsident Bronislaw Komorowski, der mit dem Versprechen, ein Referendum abzuhalten, seine Wahlniederlage beim zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahl im Mai abwenden wollte.
Der Mitbewerber Pawel Kukiz, ein Rocksänger, hatte die Forderung nach einem Mehrheitswahlrecht gestellt, und damals 20 Prozent der Stimmen bekommen. Deswegen machte sich Komorowski Kukiz' Forderung zu eigen. Geholfen hat es ihm nicht mehr.
Die regierende Partei würde von einer Änderung profitieren
Für Polens politische Landschaft hätte die Einführung des Mehrheitswahlrechts große Auswirkungen. Wenn nur noch der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Wahlbezirk in den Sejm einzieht, hätten die kleinen Parteien kaum noch eine Chance auf einen Parlamentssitz, ein Zwei-Parteiensystem wäre die Folge. Die regierende Bürgerplattform hätte von einem Mehrheitswahlrecht bei der Wahl 2011 sehr profitiert und über 100 Mandate mehr bekommen. Die Bewegung Palikot wäre gar nicht in das Parlament eingezogen.
Die Abschaffung der staatlichen Parteienfinanzierung würde ebenfalls vor allem die kleinen Parteien treffen.
Weil die politische Klasse wenig glücklich ist mit den heute gestellten Fragen, gab es so gut wie keine Diskussionen, versuchte sie, das Thema möglichst zu umschiffen.
Für die Parlamentswahl könnte es dennoch Auswirkungen haben, zeigt das Referendum doch einmal mehr das unglückliche Agieren der noch regierenden Bürgerplattform von Premierministerin Ewa Kopacz, der auch Komorowski vor seiner Zeit als Präsident angehörte.
Die in Polen sehr viel drängendere Frage wird nicht gestellt: Wie das Land mit der Forderung umgehen soll, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Parteien scheuen sich, vor der Wahl eine größere Solidarität einzufordern, weil sie fürchten, dass das bei den Bürgern nicht gut ankäme und sie das Stimmen kosten könnte. Noch immer sind die Polen mehrheitlich gegen eine Öffnung ihres Landes.
Den Ausgang des Referendums gibt die Wahlkommission morgen Nachmittag bekannt.
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