Rechtschreibreform und das Versagen der Politik

Ein Kommentar von Margarete Limberg · 03.03.2006
Die Kultusministerkonferenz beschloss in der vergangenen Woche eine Reform der Rechtschreibreform und setzte damit den bisherigen Schlusspunkt in der seit Jahren andauernden Diskussion um Sinn und Unsinn der neuen Rechtschreibregeln. In ihrem Kommentar spricht Margarete Limberg von einem "Trauerspiel" und nennt die Entwicklung rund um die Rechtschreibreform eine "Geschichte vom Versagen der Politik".
Das Trauerspiel um die Rechtschreibreform handelt nicht nur von der Erfindung sonderbarer sprachlicher Absurditäten, sondern mindestens ebenso vom Versagen der Politik, namentlich der Kultusministerkonferenz , kurz KMK.

Einige in ihren Reihen sind reichlich spät zu der Erkenntnis gelangt, dass man dergleichen besser nicht noch einmal versucht und besser von vornherein die Hände von diesem Sujet gelassen hätte. Die KMK hat sich des Themas ohne viel Sachverstand, dafür aber um so entschlossener angenommen. Sie hat sich angemaßt eine Entscheidung zu fällen, ohne imstande zu sein, diese auch im Alltag durchzusetzen.

Die Reform wurde gegen viele Widerstände durchgeboxt. Nicht alle Einwände waren ja als hysterisch oder neurotisch abzutun, aber zunächst wurde selbst sachlicher Widerspruch ignoriert, den Schülern wurden neue Schreibregeln verordnet, nur um dann doch zurück zu rudern . So wenig wie man am Anfang den Mut für eine radikale , wirklich vereinfachende Reform fand, so wenig fand man später den Mut umzukehren , als sich herausstellte, dass das Ergebnis ein einziges Durcheinander und Deutschland ein orthografischer Flickenteppich war.

Halbherzigkeit prägte das Verhalten der Kultusminister, stets noch das beste Rezept für das Scheitern von Reformen. Halbherzig war auch der Schlusspunkt, den man gestern mit der Annahme der Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung zu setzen hoffte, denn die erwünschte Klarheit lässt weiter auf sich warten.

Schon die Einsetzung des Rates war vor allem ein Manöver zur Gesichtwahrung, nämlich zu vermeiden, das eigene Scheitern zuzugeben. Zum Schluss schienen die Kultusminister nur noch darauf bedacht, die leidige Geschichte endlich los zu werden. Nachdem man über 10 Jahre an der Reform herumgedoktert hatte, wurden die Minister im letzten Sommer plötzlich so ungeduldig, dass sie nur Teile der reformierten Reform in Kraft setzten , statt zu warten bis der Rat seine Arbeit abgeschlossen hatte.

Der Umgang mit der Rechtschreibreform war ein Debakel auch für den Föderalismus in Deutschland. Sie wurde vor allem von den Ministerpräsidenten in Bayern und Nordrheinwestfalen politisch instrumentalisiert.

Absprachen, die die Kultusminister nach endlosen Debatten einstimmig getroffen hatten und denen auch die Ministerpräsidenten zugestimmt hatten, wurden von einem Tag auf den anderen über den Haufen geworfen . Dass nicht die Politiker, sondern Lehrer und Schüler unter der permanenten Verunsicherung zu leiden hatten, war ihnen gleichgültig. Es ging bei diesen Auseinandersetzungen weniger um Sinn oder Unsinn der Rechtschreibung als darum, parteipolitisch Kapital daraus zu schlagen.

Die Rechtschreibreform ist nicht das einzige Beispiel für einen falsch verstandenen Föderalismus, der klare und eindeutige Entscheidungen verhindert. Wer die Geschichte dieser Reform verfolgt hat, kann nur mit einigem Bangen auf die Föderalismusreform blicken, die den Ländern im Bildungsbereich noch mehr Kompetenzen zuordnen will. Zwar versprechen die Kultusminister, ihren Gewinn an Handlungsspielraum in gesamtstaatlicher Verantwortung wahrzunehmen, um die gebotene Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse zu gewährleisten und nicht jeden Umzug von einem Bundesland ins andere zu einer schulischen Katastrophe werden zu lassen.

Aber wer möchte nach den Erfahrungen der letzten Jahre wirklich Wetten darauf abschließen, dass am Ende nicht wieder Länderegoismen triumphieren zu Lasten der Schwächsten in unserem überholungsbedürftigen Bildungssystem?

Wer garantiert, dass die Kultusministerkonferenz nicht zum Schlachtfeld bildungspolitischer Ideologen wird ? Das Einstimmigkeitsprinzip bleibt, und damit ist garantiert, dass der kleinste gemeinsame Nenner auch künftig die Richtschnur sein wird.