Rechte Architekturpolitik

Zurück in "vermeintlich heilere Zeiten"

07:13 Minuten
Die ersten Besucher gehen durch die Gassen der neuen Altstadt von Frankfurt am Main. Foto: Boris Roessler/dpa | Verwendung weltweit
Wie politisch ist die Rekonstruktion einer Altstadt wie in Frankfurt? Sehr, sagt der Architekturjournalist Anh-Linh Ngo. © Boris Roessler / dpa
Anh-Linh Ngo im Gespräch mit Eckhard Roelcke  · 24.05.2019
Audio herunterladen
Wo Rechte über Architektur sprechen, gehe es oft um Rekonstruktion und um die Identität eines Volkes, sagt Anh-Linh Ngo von der Architekturzeitschrift Arch+. Jüngster Fall sei die Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt.
"Wir haben uns ja schon lange gefragt, warum es so etwas wie einen rekonstruktivistischen Taumel überall in Europa gibt", sagt Anh-Linh Ngo, Herausgeber und Chefredakteur der Architekturzeitschrift "Arch+". Am Freitag diskutierte er unter anderem mit Wissenschaftlern an der Berliner Volksbühne über "Rechte Räume" in Europa.
Im gleichnamigen Projekt der Uni Stuttgart erforschen Wissenschaftler architekturpolitische Implikationen eines Aufschwungs der Neuen Rechten.

Phänomen in ganz Europa

"Es ist ja nicht nur in Deutschland", sagt Ngo, dessen Zeitschrift eine Sonderausgabe mit Titel "Rechte Räume. Bericht einer Europareise" herausbringt. "Wir haben uns auch mit Phänomenen in Polen, in Ungarn auseinandergesetzt und haben dabei festgestellt, dass überall, wo Rekonstruktionen stattfinden, damit auch eine Politik verbunden wird, eine architekturpolitische Argumentation, die an vermeintlich heilere Zeiten und die Identität des Volkes anknüpft."
Jüngster Fall sei die Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt, mitangestoßen vom Publizisten Claus Wolfschlag, Beiträger unter anderem der rechtsgerichteten Wochenzeitung "Junge Freiheit", der einmal in einem Aufsatz schrieb:
"Wer von Volk oder Heimat reden will, kann von Architektur - in und mit welcher das Volk ja schließlich lebt - nicht schweigen."
Die Rekonstruktion ist Gegenstand einer hitzigen, ideologisch aufgeladenen Debatte.

Antisemitische Codes an öffentlichen Plätzen?

Auch in Berlin gebe es (architektur-)politisch sehr aufgeladene Projekte, sagte der Architekturjournalist Anh-Linh Ngo. Als Beispiel führt er die postkoloniale Debatte ums Berliner Stadtschloss-Rekonstruktion an - sowie ein umstrittenes Zitat am Walter-Benjamin-Platz, der nach einem jüdischen Berliner Philosophen benannt ist. Dort steht ein Satz des Dichters Ezra Pound, der lautet:
"Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert."
Kritker weisen darauf hin, dass dieser Satz von Benito Mussolini als Code verwendet worden sei.
(fmay)
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema