Razzia nach Dresdner Kunstraub

"Ich glaube nicht, dass wir die Juwelen wiedersehen"

08:20 Minuten
Polizei und Kriminaltechniker stehen bei einem Einsatz in einem Hauseingang. Knapp ein Jahr nach dem Kunstdiebstahl im Dresdner Grünen Gewölbe hat die Polizei am Dienstagmorgen in Berlin drei Tatverdächtige festgenommen. Seit dem Morgen wurden insgesamt 18 Objekte durchsucht.
Die Spur führte nach Berlin: Razzia, ein Jahr nach dem Kunstraub in Dresden. © dpa / Annette Riedl
Claas Meyer-Heuer im Gespräch mit Julius Stucke · 17.11.2020
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Nach einer Großrazzia in Berlin verhaftet die Polizei drei mutmaßliche Juwelendiebe. Ermittlungen nach dem spektakulären Kunstraub aus dem Grünen Gewölbe führen ins Milieu krimineller Clans. Der Journalist Claas Meyer-Heuer kennt diese Szene gut.
Knapp ein Jahr nach dem Aufsehen erregenden Einbruch in das Grüne Gewölbe in Dresden verhaftet die Polizei in Berlin drei Verdächtige. Die Festgenommenen gehören derselben Familie an, aus deren Reihen bereits zwei Mitglieder im Gefängnis sitzen, weil sie vor drei Jahren eine 100 Kilo schwere Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin gestohlen haben. Die Münze ist seitdem verschwunden, ebenso wie alles, was die Einbrecher am frühen Morgen des 25. November 2019 in Dresden gestohlen haben.

Ermittlungen im Clan-Milieu

Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft führten ins Milieu krimineller Familienclans. An der Razzia, die zu den Festnahmen führte, waren insgesamt 1.640 Polizistinnen und Polizisten beteiligt. Das enorme Aufgebot rührte aber wohl eher daher, dass die verdächtigte Familie derzeit in Auseinandersetzungen mit anderen Banden verwickelt sei und die Einsatzkräfte "auf alle Eventualitäten gefasst sein" müssten, so Claas Meyer-Heuer, Reporter bei Spiegel TV und Buchautor, der zu Clankriminalität seit Langem recherchiert.
Dass Kunstgegenstände in jüngster Zeit offenbar verstärkt ins Visier der Banden geraten, sieht Meyer-Heuer vor allem darin begründet, dass diese gegenüber anderen potenziellen Beutestücken vergleichsweise schlecht gesichert seien. Hinzu komme ein gewisser Reiz, sich durch besonders öffentlichkeitswirksame Einbrüche Ruhm zu erwerben. "Für die Reputation innerhalb des Clans ist es schon wichtig, auch ganz spektakuläre Sachen zu machen", sagt Meyer-Heuer. "Dadurch steigt man sicherlich im Ansehen der Familie."
Dass kriminelle Clans inzwischen auch zu Helden der Popkultur wurden, indem sie von Rappern glorifiziert werden oder in Serien wie "4 Blocks" im Mittelpunkt mitreißender Dramen stehen, wirke möglicherweise durchaus auf die Kriminellen selbst zurück, so der Reporter: "Ich glaube, dass die jungen Wilden sich sehr angespornt fühlen durch diese Popkultur, dass sie auch intern so eine Art Wettbewerb haben: Wer zieht den meisten Fame auf sich?"

Gangster sammeln Klicks auf Youtube

Auch Reaktionen auf seine eigene Arbeit als TV-Journalist hätten diesen Eindruck bestätigt: "Zum Beispiel haben wir es erlebt, wenn wir Filme gemacht haben über diese Familien, dass sie das liken, dass sie auch genau gucken, wie viele Klicks die zum Beispiel bei Youtube haben."
Dass die in Dresden entwendeten Juwelen und Kunstobjekte je wieder auftauchen, hält Claas Meyer-Heuer für sehr unwahrscheinlich: "Ich glaube nicht, dass wir diese Kunstgegenstände wiedersehen." Allerdings frage er sich, was wohl am Ende aus dem Raubgut wurde: "Die Goldmünze konnte man einschmelzen, der Materialwert war sehr hoch." Die Beutegegenstände aus dem Grünen Gewölbe dagegen seien letztlich unverkäuflich.
(fka)

Thomas Heise, Claas Meyer-Heuer: Die Macht der Clans. Arabische Großfamilien und ihre kriminellen Imperien
DVA, München 2020
352 Seiten, 20 Euro

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