Raubtiere gucken ohne Gitter

von Susanne Nessler · 07.05.2007
Mit sechs Seehunden beginnt in Deutschland die Geschichte der modernen Zoos. 1848 stellt der Fischhändler Gottfried Clas Hagenbeck die Tiere in der Hansestadt Hamburg auf St. Pauli aus. Kurz darauf eröffnet er eine Tierhandlung, die sein Sohn Carl Gottfried Heinrich ausbaut und auf den Namen "Hagenbecks Thierpark" tauft.
Knapp 60 Jahre später überrascht der Enkel Carl Hagenbecks im neu erbauten, größeren "Tierpark Hagenbeck" das Hamburger Publikum mit frei herumlaufenden Löwen.
"Das war natürlich eine Sensation, stellen sie sich vor, Sie kommen um die Ecke, da ist ein Löwe und da ist kein Gitter. Alle Menschen sind Gitter gewohnt gewesen, Löwen sind nur sicher hinter Gittern, und dann kommen sie um die die Ecke und da ist ein Löwe ohne Gitter und den Graben sehen Sie nicht, wenn sie nicht wissen, dass er da ist. Das ist eine sensationelle Erscheinung gewesen damals."

Carl Hagenbeck, Urenkel des Erfinders des Zoos ohne Gitter, trägt nicht nur dessen Namen, sondern war selber lange Zeit Leiter des Tierpark Hagenbeck in Hamburg. Seit sein Urgroßvater 1907 Tiere in Panorama-Landschaften zeigte, die nur von Wassergräben umgeben waren, ist diese Form der Tierpräsentation von den meisten Zoos übernommen worden. Vor 100 Jahren war die gitterfreie Haltung wilder Tiere eine Art Revolution in der Zoogeschichte.

"Hamburg als Hafenstadt hatte natürlich immer wieder mal Kapitäne, die exotische Tiere mitbrachten und die hat Carl Hagenbeck dann gekauft. Und später hat er Expeditionen ausgerüstet oder finanziert. Hat Tierfänger losgeschickt, damit sie in Afrika bestimmte Tiere fangen. Die wurden dann zu Fuß bis an die Küste getrieben und nicht immer kamen alle lebend an."

Mitte des 19. Jahrhunderts erlebt Deutschland einen Gründungsboom zoologischer Gärten und Tierparks. 1844 startete Berlin, 1858 folgte Frankfurt und kurz darauf gründete Hagenbeck seinen Tierpark, Deutschlands ersten und bis heute einzigen Privatzoo.

Der Tierpark sollte als Bildungsstätte für das Bürgertum dienen und Wissenschaftlern die Möglichkeit zu Forschungen geben. Denn das Wissen über die Exoten war damals gering, sagt der Urenkel.

"Man wusste ja auch nichts über die Ernährungsgewohnheiten, ich weiß, dass man die ersten Menschenaffen mit Erbsensuppe und Kaffee gefüttert hat. Und sie hat rauchen lassen, weil man dachte, es sind nur etwas kleinere schwarze Menschen, die nicht sprechen können."

Kein Wunder, hatte man doch Jahrhunderte lang wilde Tiere zur reinen Unterhaltung und Schaulust in Wanderschauen und Menagerien präsentiert, hinter dicke Eisengitter und an schwere Ketten gefesselt.

Die Idee des gitterfreien Zoos machte die Hagenbecks berühmt. Die Familie bekam Aufträge für weitere Zooanlagen und leitet heute in sechster Generation den Tierpark in Hamburg, Deutschlands einzigen Familienbetrieb unter den großen deutschen Zoos.