Raubkunst der Staatssicherheit

Wenn Gestohlenes gestohlen wird

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eine goldene Haarspange in Schmetterlingsform, an den Rändern besetzt mit kleinen weißen Perlen, links und rechts ovale rote Steine
Diese Haarspange mit Perlen und Granaten gehört zum Stasi-Schatz. Wem sie gehörte, ist bis heute unklar. © Deutschlandradio/Claudia van Laak
Von Claudia van Laak · 18.12.2019
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Bei einem Einbruch ins Berliner Stasi-Museum wurden kürzlich neben Orden auch Schmuckstücke geraubt. Doch wie kam die Stasi in den Besitz von Preziosen? Und wem gehörten sie? Claudia van Laak hat sich auf die Suche nach dem Stasi-Goldschatz begeben.
Jörg Drieselmann öffnet den Tresor, wuchtet einen Pappkarton heraus: "Das ist das, was ich habe." Der Leiter des Berliner Stasi-Museums greift in den Karton, holt ein Objekt nach dem anderen heraus. Durch Noppenfolie und durchsichtige Plastiktüten schimmert es golden, ab und zu blitzen Granaten und Diamanten hervor. Das größte Stück: eine Goldkrone, aus der jemand die Edelsteine herausgebrochen hat.
Jörg Drieselmann wiegt eine schwere Kette in der Hand, an der Goldmünzen befestigt sind: "Das sind österreichische Münzen, das mag vielleicht Österreich-Ungarn gewesen sein." Drieselmann packt weiter aus: eine historische goldene Haarspange in Schmetterlingsform mit aufgesetzten Perlen und Granaten. Eine vergoldete Walnuss, innen mit Diamanten besetzt. Ein breiter Goldgürtel, dazu das passende Armband.

Staatlicher Raubzug mit der "Aktion Licht"

"Da stellt sich wirklich die Frage, wie kommt die Stasi zu diesen Objekten?"
1962 – direkt nach dem Mauerbau – leerte die Stasi Depots und Schließfächer in der gesamten DDR, in denen Personen, die in den Westen gegangen waren, ihre Wertgegenstände verwahrt hatten. "Aktion Licht" hieß dieser staatliche Raubzug. In den späteren Jahren wurden Kunstsammler mit hohen Steuerschulden konfrontiert – da sie diese in der Regel nicht begleichen konnten, wurden ihre Sammlungen – oder Teile davon – konfisziert.
Außerdem, so Drieselmann: "Von jedem Republikflüchtling, da hat man geguckt, was haben die dagelassen, jetzt waren die weg im Westen, dann ist man in die Wohnung rein und hat geguckt, das, das und das nehmen wir mit, keine Frage."
eine vergoldete Walnuss, innen mit blau schimmernden Diamanten besetzt
Eine vergoldete Walnuss, innen mit Diamanten besetzt: Die Stasi räumte auch Depots und Tresore leer.© Deutschlandradio/Claudia van Laak

Schalck-Golodkowski verscherbelte Kunst in den Westen

Und dann war da ja noch die Kunst und Antiquitäten GmbH – Teil des Imperiums von Alexander Schalck-Golodkowski. Sein Auftrag lautete: Devisenbeschaffung für die DDR. Kunst und Antiquitäten eigneten sich dafür besonders gut – und so gelangten auch zuvor staatlich geraubte Gemälde, historische Möbel und Schmuckstücke in den Westen. Und wo befinden sich diese Kulturgüter heute, die sich die Stasi unrechtmäßig angeeignet hat?
"In alle Winde zerstreut - und es ist äußerst schwer, die Wege einzelner Objekte nachzuvollziehen. Und daran war der Stasi natürlich auch gelegen, die Herkunftszusammenhänge unklar zu machen", sagt Ralf Blum, Historiker und Archivar beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen.
Er hat in den letzten zwei Jahren die Stasi-Akten auf Hinweise zu Raubkunst untersucht und wird im Frühjahr ein entsprechendes Inventar veröffentlichen. Diese Veröffentlichung könnte früheren Eigentümern oder deren Nachfahren bei der Recherche nach ihren vermissten Kunstwerken helfen.

Die Aufarbeitung steht noch ganz am Anfang

"Wir konzentrieren uns auf Dokumente. Also wir geben Aktensignaturen an, mit denen Interessierte sich ein Bild machen können, um welche Vorgänge geht es. Und natürlich sind darin auch Listen mitunter, und einzelne Stücke bezeichnet, die sind aber nicht genau beschrieben. Denn die Stasi hatte ja die Sachen und hat sie nur ungefähr beschrieben."
Nach der öffentlichen Debatte über NS-Raubkunst könnte nun die Zeit nach 1945 in den Fokus rücken: von der Stasi geraubte und später in den Westen verscherbelte Kulturgüter. Der Berliner Rechtsanwalt Ulf Bischof vertritt Sammler und Museen auf der Suche nach ihrer zu DDR-Zeiten verschwundenen Kunst:
"Es gibt noch sehr viele Stücke sowohl in den Museen als auch in privater Hand, die aus diesem Kontext stammen. Und das ist mitnichten aufgearbeitet. Im Grunde stehen wir da noch ganz am Anfang."
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