Raubkunst-Debatte

Mexiko fordert Absage einer Auktion in München

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Eine Keramikfigur eines Hundes aus der Zeit 300 v. Chr.
Etwa 2000 Jahre alte mexikanische Tonfiguren sollen in München versteigert werden (Symbolbild). © imago images / UIG / Werner Forman
Stefan Rinke im Gespräch mit Axel Rahmlow · 14.09.2021
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Sind 74 mexikanische Kunstgegenstände, die in München versteigert werden sollen, Raubkunst? Das meint Mexikos Regierung und fordert ein Verbot. Dabei spielen auch innenpolitische Interessen eine Rolle, vermutet der Historiker Stefan Rinke.
Die mexikanische Regierung fordert die Absage einer für den 21. September geplanten Auktion in München. Dabei sollen 324 lateinamerikanische Kunstgegenstände aus der präkolumbischen Zeit versteigert werden, darunter 74 Artefakte, die nach Ansicht des mexikanischen Kulturministeriums Eigentum der mexikanischen Nation sind.

Wiederholte Beschwerden an Auktionshäuser und Modemarken

Das Münchner Auktionshaus Gerhard Hirsch verwies dagegen in einem Schreiben darauf, dass alle angebotenen Objekte über Provenienznachweise verfügten, die belegten, dass sie sich legal in Deutschland befänden. Zudem lägen Gutachten namhafter Institute zur Echtheit vor, und sämtliche Objekte seien durch das Art-Loss-Register geprüft worden.
Es ist nicht das erste Mal, dass Mexiko solche Beschwerden an Auktionshäuser richtet, sagt unsere Redakteurin Heike Bredol. "Es gab viele ähnliche Beschwerden, zum Beispiel im Februar dieses Jahres gegen das Auktionshaus Christie's, die in Paris mexikanische Kunstgegenstände versteigert haben."
Außerdem ergingen immer wieder Rügen an internationale Modemarken, weil diese klassische Muster indigener Volksgruppen ohne deren Erlaubnis für ihre Kollektionen verwendet hätten.

Anschluss an die internationale Restitutionsdebatte

Stefan Rinke, Professor für die Geschichte Lateinamerikas an der Freien Universität Berlin, sieht diese Forderung zum einen im Kontext einer internationalen Restitutionsdebatte, die derzeit viel öffentliche Beachtung erfahre. "Man denkt dabei zunächst an Afrika und Asien, aber die europäische Kolonisation fing ja nicht in Afrika und Asien an, sondern sie begann eigentlich in den Amerikas oder in den Gebieten, die von den Europäern später als Amerikas benannt wurden", sagt der Historiker.
"Von daher ist natürlich da eine sehr lange Tradition, wenn man so will, des Kulturraubs vorhanden, und die wird im Anschluss an die Debatten, die man über Afrika und Asien führt, jetzt auch in Lateinamerika aufgenommen."

Linkspopulistische Mobilisierungsstrategie

Zum anderen erklärt Rinke das Vorgehen der mexikanischen Regierung mit der politischen Situation im Land: So sei Präsident Andrés Manuel López Obrador ein Linkspopulist, der es verstehe, gerade bisher marginalisierte Bevölkerungsteile anzusprechen, vor allem die Indigenen.
"Dabei ist Symbolpolitik ein ganz wichtiges Element", sagt Rinke, "und bei dieser Symbolpolitik spielt natürlich auch das kulturelle Erbe der indigenen Vergangenheit eine zentrale Rolle."

Weit verbreitete Vorwürfe gegen den Westen

Dem Lateinamerikahistoriker zufolge kommt die Haltung der Regierung bei vielen im Land gut an. Das Gefühl, der Westen und besonders die Nordamerikaner hätten die Mexikaner traditionell ausgebeutet und ihnen wertvolle Erinnerungsgegenstände und auch teilweise ihre Vergangenheit geraubt, sei in Mexiko weit verbreitet:
"Es ist heute im populistischen Diskurs relativ unumstritten, auch viele linke Intellektuelle oder auch linksliberale Intellektuelle schwimmen in diesem Strom mit. Es gibt da eigentlich momentan in Mexiko nur sehr wenige, die es wagen, sich gegen diesen Mainstream zu stellen."
(uko)
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