Digitale Zölle

Gut fürs Valley, schlecht für die Welt

08:45 Minuten
Sven Hilbig im Gespräch mit Jenny Genzmer und Tim Wiese · 07.09.2019
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Zölle auf digitale Waren sind seit 1998 untersagt. Das führt einerseits zu dem beinahe grenzenlosen Internet, das wir heute haben. Andererseits sind ausgerechnet die ärmsten Länder der Welt leidtragende dieser Politik.
Wer schon einmal außerhalb der EU Urlaub gemacht hat dürfte es kennen: Zollkontrolle. Man kann nicht einfach Dinge im Ausland kaufen und mit nach Deutschland bringen, sondern muss für viele Sachen eine Abgabe an den jeweiligen Staat bezahlen.
Gleichzeitig landen die Backups unserer Telefone in Rechenzentren in Texas, während wir Videos aus Indien streamen und es fühlt sich geradezu selbstverständlich an, dass das nicht nur funktioniert, sondern auch nichts kostet. Das liegt an einem Moratorium der Welthandelsorganisation WHO, die Zölle auf digitale Waren auf 0 Prozent gesenkt hat und seit 1998 alle zwei Jahre aufs neue verlängert wird.
Knapp 800 Millionen US-Dollar könnten Staaten auf der Welt verdienen, wenn Zölle auf digitale Güter erlaubt wären. 92 Prozent davon würden auf Schwellen- und Entwicklungsländer entfallen. Heute wird vor allem im Silicon Valley profitiert. Darum wollen Länder wie Südafrika und Indien dieses Moratorium jetzt beenden, während die USA und andere Gewinner diese Regelung dauerhaft festschreiben wollen. Wie sich unsere Welt durch digitale Zölle verändern würde und ob sie sinnvoll wären, klären wir im Gespräch mit Sven Hilbig von Brot für die Welt.

Digital bleibt noch weniger vom Kuchen übrig als analog

Hilbig sagt, dass sich in den letzten 20 Jahren durch Videostreams und dem Herunterladen von Software ein ganz neuer Markt der immateriellen Güter gebildet habe, der zu einer Ungleichverteilung führe. 50 Prozent des Marktes entfielen auf den asiatisch-pazifischen Raum, vor allem China, jeweil ein Viertel auf die USA und Europa, während Afrika, Lateinamerika und der Nahe Osten zusammen gerade einmal zwei Prozent repräsentierten. Bei analogen Gütern würden diese immerhinrund. 8 Prozent des Marktes ausmachen.
Dies sei vor allem ein Problem, da Zolleinnahmen für afrikanische Entwicklungsländer einen wichtigen Posten im Staatshaushalt darstellen würden. Zusätzlich seien Zölle auch ein Instrument zur Wirtschaftslenkung. Als Beispiel nennt Hilbig Singapur, Südkorea und Taiwan, die ihre aufstrebenden Industrien durch Zölle geschützt hätten, was dank des Moratoriums bei digitalen Gütern nicht mehr möglich sei.

Eine Gefahr für die Wertschöpfungskette

Auch der Aufstieg von 3D-Druckern könne zu einem Problem für Entwicklungsländer werden. Diese seien in den letzten 30-40 Jahren ein wichtiges Glied in der Produktionskette von Gütern gewesen, doch wenn Drucker in der Lage sind, komplette Produkte direkt vor Ort zu fertigen, würden die Fertigungskapazitäten in diesen Ländern nicht mehr benötigt und sie würden aus der Wertschöpfungskette fallen.
Hilbig sieht auch abseits von Zöllen ein wachsendes Interesse in Entwicklungsländern, aber auch in Deutschland, etwas am Status Quo des zoll- und grenzfreien Internets zu ändern. Dabei gehe es darum die Datenhoheit zu behalten, statt diese auf großen Serverfarmen im Ausland zu lagern. Dies sei auch eine wichtige Frage für Brot für die Welt: Wer hat Datensouveränität und wer besitzt diese?
(hte)
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