Ratgeber für das Altern

25.08.2009
Was ist das: altern? Was passiert dabei im Körper, in der Psyche eines Menschen? Muss das Alter ein Feind sein, weil es uns Leistungsfähigkeit und Gesundheit raubt? Verändert es unsere Persönlichkeit bis wir weiser werden - oder eher störrisch?
"Älterwerden für Anfänger" heißt ein neues Buch des Journalisten Mathias Irle, erschienen im Rowohlt Verlag. Auf 285 Seiten unternimmt der Autor den Versuch, die biologischen, psychologischen und sozialen Aspekte des Alterns populärwissenschaftlich aufzufächern und mit sinnvollen Hinweisen für das eigene Altern anzureichern.

Mathias Irle bläst nicht in das simplifizierende Horn der Anti-Aging-Apologeten. Den komplexen Herausforderungen des Älterwerdens ist mit Nahrungsergänzungsmitteln und rasch herbeizitiertem "Positiven Denken" nicht gedient.

Sinnvoller eingesetzt seien die Bemühungen um ein verträgliches Altern ganz woanders, erläutert der Autor anhand des "S-O-K-Modells". Entwickelt hat es der ehemalige Leiter des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Paul Baltes. Das Modell beschreibt die Zutaten, die Menschen nachgewiesenermaßen besonders zufrieden altern lassen.

S steht für selektieren: Es gilt, sich auf solche Aufgaben oder Ziele zu konzentrieren, die einem besonders liegen. O steht für optimieren: Wenn man etwas im Leben stets trainiert und verbessert hat, steht einem im Alter davon wahrscheinlich noch reichlich zur Verfügung. So lassen sich K, andere körperliche und psychische Einbußen kompensieren.

Viele Ausführungen von Mathias Irle hat man ähnlich schon gelesen, wenn auch vielleicht nicht kompakt an einer Stelle. Immer wieder aber präsentiert der Autor auch überraschende Forschungsergebnisse: So ist bekannt, dass innige soziale Beziehungen Menschen gesund und froh erhalten.

Doch der Verlust an Sozialkontakten im Alter hat nicht nur mit dem Sterben von Freunden und Angehörigen zu tun. Studien konnten zeigen, dass Menschen noch im hohen Alter aktiv langjährige Beziehungen beenden. Warum? Die Motive und Aktivitäten eines Menschen richten sich danach, wie viel Lebenszeit er noch zu haben meint.

Alte suchen wie Jüngere nach Wegen, positive Gefühle zu erleben. Und weil ihnen dafür nicht mehr viel Zeit bleibt, kappen sie Bindungen, die sie als unbefriedigend erleben. Das ist sinnvoll, wenn man in der Lage ist, aktiv neue Beziehungen zu suchen und zu vertiefen. Die gefürchtete Alterseinsamkeit betrifft, so der Autor, vor allem Menschen, die das nicht können - häufig allein stehende Männer.

Mathias Irle halte das Thema auf "Halbdistanz", kritisierte die Süddeutsche Zeitung in ihrer Rezension. Es stimmt: Die unbekümmerte Herangehensweise, selbst an das Thema Sterben im Schlusskapitel, könnte vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen.

Warum nicht? Schließlich laufen die Ratschläge des Autors genau darauf hinaus, dass ohne übermäßiges Leiden nur altern kann, wer früh übt, wie das geht mit dem Loslassen, der freiwilligen Anpassung an veränderte Umstände, dem Mut, innige Beziehungen zu neuen Menschen aufzubauen oder quälende Lebensumstände und innere Haltungen zu verabschieden.
Besprochen von Susanne Billig

Mathias Irle: Älterwerden für Anfänger
Rowohlt Verlag, Reinbek 2009
285 Seiten, 19,90 Euro