Rassismus-Vorwürfe

Wie weiter mit der Aufarbeitung am Schauspiel Düsseldorf?

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Farbig beleuchtete Fassade des Schauspielhauses in Düsseldorf bei Nacht.
Das Schauspielhaus Düsseldorf wurde von Rassismus-Vorwürfen erschüttert. Der Intendant des Theaters will nun mit externer Unterstützung aufarbeiten. © imago / imagebroker
Wilfried Schulz im Gespräch mit Johannes Nichelmann · 19.04.2021
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Vor rund vier Wochen machte Schauspieler Ron Iyamu rassistische Vorfälle am Düsseldorfer Schauspielhaus öffentlich. Seitdem sei viel nach oben gespült worden, sagt Intendant Wilfried Schulz. Er will nun externe Hilfe suchen.
Es ist knapp vier Wochen her, dass der Schauspieler Ron Iyamu rassistische Vorfälle am Düsseldorfer Schauspielhaus öffentlich gemacht hat: Als er in einer Produktion einen haitianischen Freiheitskämpfer und ehemaligen Sklaven spielen sollte, habe der Regisseur ihn fortan nur noch "Sklave" genannt. Das habe dazu geführt, dass auch andere rassistische Witze gemacht hätten. Ein Kollege habe ihn zudem mit einem Cuttermesser bedroht.
Für Iyamu gab es in der Folge viel Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen aus ganz Deutschland, gleichzeitig aber auch Kritik, die unter anderem im Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschien. Dort schrieb Bernd Stegemann, Iyamu sei ein unsicherer junger, im schauspielerischen Ausdruck blockierter Mann. Das wiederum führte zu einem Protestbrief, den 1.400 Theaterschaffende unterzeichneten.
Der Intendant des Schauspielhaus Düsseldorf, Wilfried Schulz, der am Wochenende in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zu den Vorwürfen einen Gastbeitrag publizierte, sagt, die vergangenen vier Wochen seien schmerzhaft gewesen. "Es ist viel nach oben gespült worden, was mir nicht so deutlich war. Und man fängt sehr an, nachdenklich zu werden. Man denkt über Strukturen nach, man denkt über sein eigenes Leben nach und man denkt natürlich auch ein bisschen darüber nach, was man vielleicht verkehrt gemacht hat."

Offene Fragen bleiben

Das Theater sei ein Reflexionsraum für die Gesellschaft. Man fühle sich immer auf der emanzipatorischen Seite der Geschichte und auf der Seite der Opfer stehend, so der Intendant. "Deswegen hat man auch so ein Bewusstsein, dass man selbstverständlich davon ausgeht, dass im eigenen Betrieb die Dinge auch mit einer hohen gesellschaftlichen Moral geregelt sind. Und erfährt dann eben, dass das nicht immer so ist", sagt Schulz.
Viele Fragen bleiben für ihn noch offen. Darunter auch Fragen wie die der Arbeitszeiten an Theatern, nach dem Leistungsdruck oder nach subjektiven Entscheidungen im künstlerischen Bereich. Das seien alles keine neuen Fragen und es gebe auch keine endgültige Antwort, so Schulz. "Wir werden jetzt alle gemeinsam die Mühe haben, aber vielleicht auch die lohnende Mühe haben, ein Bild von Theater vielleicht auch neu auszuhandeln. Und das wird nicht nur das Düsseldorfer Schauspielhaus betreffen."
Das Düsseldorfer Schauspielhaus will nun auch auf externe Hilfe von Diversity-Experten in Anspruch nehmen. Dabei soll bei der Aufklärung und der Dokumentation geholfen werden. "Was ich auch sehr gelernt habe in diesem Prozess, ist, dass man denkt, mit der vielen Erfahrungen, die man so hat, man kriegt es schon irgendwie selber hin. Dem ist aber nicht immer so. Das muss ich jetzt auch ein bisschen demütig sagen", so Schulz.

Eine eigene Bühne als Schutzraum?

Einige Schauspieler und Schauspielerinnen wollen aufgrund der Vorfälle nicht mehr am Schauspiel Düsseldorf weiter arbeiten. Sie fordern eine eigene Bühne für Schwarze und People of Color.
Die Künstler und Künstlerinnen hätten in einer Co-Produktion am Haus gearbeitet, erklärt Schulz. "Es ist eine Produktion von Natasha Kelly, die ich sehr schätze, deswegen hatten wir sie eingeladen." Nun gäbe es Gespräche, gemeinsam mit Stadt und Land.
"Und die Forderung von Natasha Kelly und, ich sage jetzt mal, ihres Ensembles, an das Land Nordrhein-Westfalen und an die Stadt Düsseldorf ist, ihnen eine eigene Produktionsstätte zur Verfügung zu stellen. Das ist aber keine Forderung, die das Düsseldorfer Schauspielhaus in irgendeiner Form erfüllen kann", so Schulz.
Diese Forderung müsse er akzeptieren. Er sei gespannt, wie die Kulturpolitik darauf reagiere. "Ich kann es sozusagen auch verstehen als eine zeitgemäße, historisch gebundene Situation, dass Leute sagen, wir wollen jetzt nicht in euren Strukturen arbeiten, sondern wir wollen die Strukturen selber setzen. Das kann nicht das Endziel sein, aber es kann natürlich eine Phase sein", sagt Schulz.
(nho)
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