Rapper Shahin Najafi

Das gefährliche Lachen über den Islam

Der iranische Rapper Shahin Najafi auf einem Auftritt in Berlin.
Der iranische Rapper Shahin Najafi auf einem Auftritt in Berlin. © imago / David Heerde
Von Antje Stiebitz · 17.05.2015
Der im deutschen Exil lebende iranische Rapper Shahin Najafi gilt als Blasphemiker. Er hat religiöse Gefühle im Iran verletzt, so sehen es zumindest einige Gläubige dort. Deshalb ist sein Leben in Gefahr – und das seiner Fans auch.
Auf der Hülle der CD ist die Hand Fatimas abgebildet. Im islamischen Volksglauben Nordafrikas und des Nahen Ostens gilt sie als Schutzsymbol. Doch diese Hand, messingfarben auf schwarzem Grund, streckt nicht alle fünf Finger in die Luft, sondern nur - den Mittelfinger. Die Botschaft:
"Das ist eine Antwort. Das ist nach drei Jahren eine Antwort, das heißt ich bin immer noch scharf, ich bin immer noch dabei und ich fahre noch. Sie können mich nicht einschüchtern, sie können mich nicht stoppen."
Nach drei Jahren hat der iranische Musiker Shahin Najafi erneut ein Album herausgebracht, das religiöse Themen anfasst, sie dreht und wendet, mal spielerisch, mal ironisch, immer vielschichtig. Und dass, obwohl er bereits vor drei Jahren in seiner Heimat Hass auf sich zog. Damals sprachen iranische Rechtsgelehrte gleich viermal eine tödliche Fatwa gegen ihn aus. Seitdem wird der Sänger als Abtrünniger angesehen und der Mord an ihm gilt als legitimiert.
Anfang Mai erscheint seine neue CD und es dauert nicht lange und Shahriyar Ahadi, der Freund und Manager Shahin Najafis, findet in seinem E-Mail-Account Morddrohungen aus dem Iran. Sie erinnern an die vor drei Jahren ausgesprochenen Fatwas und bieten demjenigen, der Shahin Najafi umbringt viel Geld. Neu ist, dass sich der Zorn nicht nur auf den Musiker richtet, sondern auch auf seine Fans. So heißt es in einer der Mails:
"Diesmal werden wir keine Ausreden akzeptieren und wir können auch niemanden verschonen. Nicht diesen Blasphemiker, nicht den Ticketverkäufer seiner Konzerte, nicht seinen Organisator, und auch nicht den Besucher seiner Konzerte und seine Fans im Internet."
"Glaube bringt keine Vernunft"
Der Song mit dem Titel "Mammad Nobari" thematisiert eine charismatische Führungspersönlichkeit, die eine anziehende Wirkung auf die Menschen hat. "Als alle durstige Lippen hatten, warst Du es, der allen Wasser angeboten hat", heißt es da. "Mammad Nobari, Du nimmst den Damen ihr Herz." Handelt es sich bei "Mammad Nobari" um Mohammed, den Propheten? Shahin Najafi winkt ab:
"Ich meinte nicht Mohammed und ich wollte nicht über Mohammed etwas schreiben. Aber wenn sie oder die Muslime so denken, das ist nicht meine Sache. Ich kann nicht kontrollieren, was sie denken."
Im Video zu "Mammad Nobari" stellt Shahin Najafi islamische, jüdische und christliche Symbolik nebeneinander. Da tauchen drei männliche Geschlechtsteile auf, behütet mit den Kopfbedeckungen religiöser Würdenträger: Bischofshut, Taqiyah und ein jüdischer Hut mit Krempe. Im Laufe des Videos baut der Sänger einen großen Penis aus Pappmaché, vor dem er sich schließlich ehrfürchtig verneigt. Shahin Najafi erklärt warum:
"Wir wollten zeigen, warum die Religion so Maskulinismus ist. Deswegen, ich glaube, diese drei Religionen können wir ruhig sagen, die sind alle maskulinistisch. Es heißt ich als ein Satiriker kann ich ruhig mit diesen drei Religionen etwas lustig machen."
Bislang hat er mit dieser Satire weder Christen noch Juden provoziert. Doch die Wut strenggläubiger Muslime im Iran zog er postwendend auf sich:
"Aber das ist meine Frage, warum nur die Muslime und wenn ich jetzt sage Muslime, meine ich Schiiten, in meinem Fall. Warum nur diese Leute reagieren so heftig und aggressiv."
Dabei müsste Shahin Najafi inzwischen wissen, dass seine Lieder Anstoß erregen. Mit seinen Songs mobilisierte er bereits den Geheimdienst als er noch im Iran lebte. 2004 flüchtete der junge Mann über die Türkei nach Deutschland, weil ihm drei Jahre Gefängnis und 100 Peitschenhiebe drohten. Im Exil singt er weiter für eine liberale und freie iranische Gesellschaft. Im Jahr 2012 muss er untertauchen, weil ihm iranische Ayatollahs die Beleidigung des zehnten Imam Ali al Hadi an-Naqi vorwerfen. Warum provoziert der ehemalige Koransänger immer wieder?
"Die Frage ist eine der wichtigste Frage in der Geschichte von Philosophie. Warum müssen wir so machen? Wegen dem Verstand, wir versuchen zu verstehen. Wir müssen Freiheit, unsere Situation, unser Dasein, unsere Existenz verstehen. Mit Glaube kann man nicht verstehen. Glaube bringt keine Vernunft. Wir haben im Iran keine Renaissance gehabt, wir haben keine Aufklärung gehabt."
Iranische Gesellschaft wird von Religion stranguliert
Die iranische Gesellschaft, sagt er, könne nicht mehr atmen, sie werde von einer übermächtigen Religion stranguliert. Er möchte im Iran eine Entwicklung anstoßen, wie er erläutert, die Europa seit der Aufklärung bereits hinter sich hat. An dieser Stelle im Gespräch schaltet sich sein Manager Shahriyar Ahadi ein. Sie müssten mit ihrer Arbeit solange weitermachen, bis sich die Islamisten an religiöse Satire gewöhnt hätten:
"Es ist wie so eine Wand, die man Stück, für Stück, für Stück immer abreißen muss. Bis es diese Wand gar nicht mehr gibt. Dieser Prozess muss einfach durchlaufen werden. Sonst bleibt die Situation so, wie sie jetzt ist."
Und diese Situation ist bedrückend. Als Hassan Rohani im August 2013 Präsident der Islamischen Republik Iran wurde, setzten viele Iraner große Erwartungen in ihn. Doch insbesondere innenpolitisch hat sich kaum etwas verändert. Die Meinungs- und Pressefreiheit soll sich seit dem Amtsantritt Rohanis verschlechtert haben und Menschenrechtsorganisationen gehen von mehreren hundert politischen Gefangenen aus. Ein UN-Bericht aus dem Oktober 2014 verzeichnet in der Amtszeit Rohanis einen deutlichen Anstieg von Hinrichtungen.
Präsident Rohani könnte die Verantwortlichen dazu zu bewegen die tödlichen Fatwas gegen Shahin Najafis zurückzunehmen. Denn solange das nicht der Fall ist, kann sich jederzeit jeder auf die bestehenden Gutachten der iranischen Rechtsgelehrten berufen.
Es gibt immer wieder Momente, in denen Shahin Najafi daran zweifelt, ob er die Verantwortung dafür übernehmen kann, dass er nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das Leben anderer gefährdet. Aber letztlich kommt er zu dem Schluss, dass er mit seiner Kunst das Richtige tut.
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