Quo vadis deutsches Fernsehen?

26.01.2008
Kakerlaken zum Frühstück, Baden mit Babykrokodilen, Krabbelinsekten als Gesichtsmaske - nichts ist eklig genug für die Macher des "Dschungelcamp", der Reality-Show von RTL. Die Quote scheint ihnen Recht zu geben - regelmäßig schalten mehr als 4,5 Millionen Zuschauer ein.
Nicht mehr ganz so erfolgreich, aber immer noch gut zu vermarkten ist auch die gerade angelaufene achte Staffel der Container-Show "Big Brother", die Mutter aller Reality-Formate.

"In solchen Sendungen wird die ganze Palette der menschlichen Gefühle bedient", analysiert der Medienexperte Bernd Gäbler, "Voyeurismus, Schadenfreude, Ekel, Mitleid. " Man könne zuschauen, ohne dass einem selbst etwas passiere. Insofern sei das Dschungelcamp gleichsam eine sehr römische Art der Unterhaltung.

Nicht zu vergessen: Das Geld. "Das ist knallharte Ökonomie. In dem Set wird am Fließband produziert, die Sender geben sich die Klinke in die Hand. Rund um die Sendungen kann man drei bis vier Stunden Programm machen: Da werden Psychologen befragt, Menschen auf der Straße, ob sie Maden essen würden ... Dadurch ist das ein billiges Programm. Das dann potenziert mit der Quote – dann läuft das gut."

Bernd Gäbler, der von 2001 bis 2004 das renommierte Adolf-Grimme-Institut geleitet hat, beobachtet die Ökonomisierung der Fernsehlandschaft mit Skepsis. Der heutige Zuschauer habe – je nach technischer Ausstattung – die Wahl zwischen mehreren hundert Programmen. Informierter sei er dadurch nicht unbedingt.

"Es wird ein Auseinanderdriften der unterschiedlichen Öffentlichkeiten geben. Jeder diskutiert in seinem Vorgarten." So werde es zum Beispiel immer schwerer für Politiker, eine größere Öffentlichkeit zu erreichen, die öffentlich-rechtlichen Sender entwickelten sich zu Spartenprogrammen für Senioren.

Seine Mahnung: "Wir haben mehr Freiheitsgewinn, aber das kann auch einen Verlust an Gemeinsamkeit bedeuten."
Seine Forderung: ARD und ZDF sollten sich auf ihre Wurzeln besinnen, der Masse Klasse entgegensetzen, "So eine Marke ist nach wie vor die Tagesschau - die Leute wissen: Hier kriege ich, was ich erwarte."

Ein kritischer Beobachter der deutschen Fernsehlandschaft ist auch der Entertainer Oliver Kalkofe, Der Schauspieler, der für seine Satirereihe "Kalkofes Mattscheibe" 1996 den Grimme-Preis erhalten hat, kann das ständige Schielen auf den Fetisch Quote nicht mehr ertragen. "Es gibt die Quote nicht, aber alle sagen, wie wir sie zu lesen haben, es wird alles begründet mit der Quote!"

Hinter seinem beißenden Humor steckt auch eine tiefe Enttäuschung:
Fernsehen werde renitent und wider besseren Wissens am Zuschauer vorbei gemacht und dies zu oft einfach schlecht. Der Zuschauer werde nicht ernst genommen. "Wir haben ernste Serien, da ballern sie die mit zehn Werbebannern voll oder lassen lustige Dinosaurier durchs Bild laufen, um für Klingeltöne zu werben - und im Hintergrund wird der Tod des Kindes überbracht."

Die Privaten hätten längst ihre Leichtigkeit eingebüsst, zugunsten billiger Abzocke und regelrechtem Publikumsbetrug. Und die öffentlich-rechtlichen Sender kämen ihrem Auftrag nicht nach, dem innovativ gegenzusteuern.
Seine Konsequenz: "Ich liebe das Fernsehen, aber ich schalte es nicht mehr ein."

"Quo vadis deutsches Fernsehen?" Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr gemeinsam mit Bernd Gäbler und Oliver Kalkofe. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800–22542254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet unter:
www.kalkofe.de