Donnerstag, 18. April 2024

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EEG-Reform und Klimawandel
"Keine Neuzulassungen für Benzin- und Dieselfahrzeuge ab 2025"

Eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin kritisiert die Umsetzung der Energiewende in Deutschland als viel zu langsam. Studienautor Volker Quaschning rät zu schnellen konkreten Schritten. Einer davon: "Wir müssen die wichtigsten Fernstraßen für den Güterverkehr elektrifizieren."

20.06.2016
    Ein Stromkabel ist am 10.05.2016 in Berlin (Berlin) an der Steckdose eines Elektroautos angeschlossen und am Auto ist der Schriftzug "NULL CO2" zu sehen.
    Volker Quaschning fordert eine zu 100 Prozent erneuerbare Stromversorgung - "um natürlich auch die Elektroautos klimaneutral betanken zu können." (dpa / picture alliance / Tobias Hase)
    Die heute vormittag vorgelegte Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin darf durchaus als Fundamentalkritik am bisherigen Tempo der Energiewende in Deutschland, und ganz speziell an der geplanten Reform des EEG-Gesetzes, verstanden werden. Tenor der Untersuchung ist, dass endlich angefangen werden müsse, die Anforderungen der Energiewende sektorenübergreifend umzusetzen. Es ist ja so, dass bisher überwiegend die Stromproduktion im Fokus stand. Allerdings müsse künftig auch mehr der Wärme- und Verkehrssektor klimaneutral gestaltet werden. Und hier - so Volker Quaschning von der HTW in Berlin - reiche allein schon der Blick auf die Zahlen, um Handlungsbedarf festzustellen:
    "Wir haben ungefähr 74 Prozent unseres Energiebedarfs im Wärmebereich, was fossil gedeckt wird. In der Summe sind dies rund 570 Terawattstunden - die gleiche Größenordnung dessen, was wir als Strombedarf haben. Wenn wir den fossilen Wärmeanteil eins zu eins durch Strom ersetzen, wird sich der Strombedarf schon verdoppeln."
    Das Szenario der Wissenschaftler ist eindeutig: Weg von den fossilen Energieträgern bis spätestens zur Mitte dieses Jahrhunderts. Und allein deswegen werde der Bedarf an sauberem Strom ansteigen. Beispiel: Verkehrsbereich. Hier sei das Ziel einer Dekarbonisierung - also eine Versorgung ohne Öl oder Gas - allein durch biogene Treibstoffe nicht machbar, weil landwirtschaftliche Flächen in einer solchen Größenordnung nicht zur Verfügung stünden. Und es wird davon ausgegangen, dass der Individualverkehr künftig fast ausschließlich durch Elektrofahrzeuge bedient werden müsse. Hier schlägt Volker Quaschning als Autor der Studie folgende Maßnahmen in den kommenden Jahrzehnten vor.
    "Keine Neuzulassungen für Benzin- und Dieselfahrzeuge ab 2025. Norwegen und die Niederlande haben das bereits beschlossen. Es ist die Frage ob ein Autoland wie Deutschland da folgen kann. Wir sollten da nicht der letzte sein, der diesen Weg geht. Sofortige Einführung einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur, um die Hemmnisse zu beseitigen. Wir müssen die wichtigsten Fernstraßen für den Güterverkehr elektrifizieren. Wir müssen beim Flug- und Schiffsverkehr auf Power-to-Liquid umsatteln. Und auf 100-Prozent erneuerbare Stromversorgung, um natürlich auch die Elektroautos klimaneutral betanken zu können."
    "Das Gegenteil eines mutigen Schrittes"
    Setzt man alle diese Langfristperspektiven oder Ziele in Relation zur gegenwärtigen Politik in Deutschland, dann fällt das Urteil der Wissenschaftlicher nicht schmeichelhaft aus. Das EEG wird derzeit reformiert, es geht in die parlamentarische Beratung: Die Bundesregierung bremse hier, so die Einschätzung von Hermann Falk, Geschäftsführer vom Bundesverband Erneuerbare Energien.
    "Öffentlichkeitswirksam werden Klimaschutzziele verkündet, dann wird aber im EEG ein zehnfacher Deckel postuliert. Zehn Deckel für die verschiedenen Technologiearten, sei es Wind, Sonne oder Bioenergie. Das ist schon das Gegenteil eines mutigen Schrittes in Richtung der neuen Klimaschutzvereinbarungen, wie sie weltweit ja verbindlich werden sollen."
    Während die Bundesregierung durch die EEG-Reform den Ausbau in einzelnen, bestimmten Sektoren wie der Winderzeugung verlangsamen will und dem Ausbau der Netze mehr Gewichtung geben möchte, schlagen die Wissenschaftler vor, die Wind- und Solarenergie drei bis sechsmal schneller auszubauen.