"Querdenker"-Demo in Kassel eskaliert

"Der demonstrierende Wanderzirkus"

07:37 Minuten
Ein Teilnehmer mit einer roten Zipfelmütze und ohen Mund-Nasen-Bedeckung steht bei einer Kundgebung unter dem Motto "Freie Bürger Kassel - Grundrechte und Demokratie" vor Polizisten.
Anhänger der "Querdenker"-Bewegung reisen von Stadt zu Stadt, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren, sagt der Journalist Olaf Sundermeyer. © picture alliance/dpa | Swen Pförtner
Olaf Sundermeyer im Gespräch mit Marietta Schwarz · 20.03.2021
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Bei einer "Querdenker-Demonstration" in Kassel ist es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die örtlichen Einsatzkräfte seien durch die angereisten Teilnehmer überfordert gewesen, sagt Journalist Olaf Sundermeyer.
Bei einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Kassel ist es am Samstag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Mehr als 20.000 Menschen nahmen laut Polizei an den Protesten teil. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an die Auflage, Mund- und Nasenschutz zu tragen. Obwohl nur zwei Versammlungen an der Peripherie unter strengen Auflagen und geringerer Teilnehmerzahl erlaubt waren, zogen die Teilnehmer auch durch die Innenstadt. Dort war eigentlich nur Gegenprotest zugelassen.
"Das ist dort ein Szenario gewesen, das wir schon bei allen möglichen Anti-Corona-Demonstrationen der "Querdenker" in Deutschland erlebt haben – zuletzt auch in Leipzig im November, als es zu einem Durchbruch gekommen ist und nachströmende Menschenmassen zu Tausenden dann im Prinzip selbstermächtigt durch die Leipziger Innenstadt laufen konnten. Ähnlich war es heute in Kassel", berichtet der Berliner Investigativ-Journalist und Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer, der das Geschehen vor Ort beobachtet hat.
Einsatzkräfte der Polizei stehen bei einer Kundgebung unter dem Motto "Freie Bürger Kassel - Grundrechte und Demokratie" neben einem Wasserwerfer.
Die Polizei in Kassel war überfordert.© picture alliance/dpa | Swen Pförtner
"Die Polizei hat diese Demonstrierenden, die im vergangenen Jahr schon zu Zehntausendenüberall in Deutschland demonstriert haben, einfach gewähren lassen und war auch einfach vom Widerstand überfordert, den diese Leute geleistet haben. Oft war es passiver Widerstand, dem die Polizei nichts entgegensetzen konnte."

Fehlende Erfahrung in Kassel

Die Polizei habe nicht mit so vielen Demonstrierenden gerechnet, sagt Sundermeyer. Schon auf der Fahrt von Berlin nach Kassel habe er selbst gesehen, dass die Leute wie zu einem Fußballspiel anreisten, wie bei anderen Großdemonstrationen der "Querdenker" auch.
In Kassel kam die örtliche Polizei zum Einsatz. Diese fehle offenbar die Erfahrung mit solchen Einsätzen - anders als in Berlin oder in Leipzig. Die Protestierenden in Kassel seien in den vergangenen Monaten schon auf sehr vielen Demonstrationen auf der Straße gewesen, so Sundermeyer. "Die kennen das Spielchen sehr viel besser als die örtliche Polizei. Die wurde heute im Prinzip überrumpelt."
Teilnehmer gehen bei einer Kundgebung unter dem Motto "Freie Bürger Kassel – Grundrechte und Demokratie" durch die Stadt – ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Abstand.
Bei der Demonstration in Kassel handelt es sich nicht um ein aktuelles Stimmungsbild, wie Olaf Sundermeyer berichtet.© picture alliance/dpa | Swen Pförtner
Die Demonstrierenden träfen sich wie zu Happenings in allen möglichen Städten in Deutschland. Sie hätten in Kassel angekündigt, dass sie mit der selben Strategie "von Woche zu Woche jeweils eine mittelgroße deutsche Stadt stürmen" wollen, sagt Sundermeyer. "Es bleibt also abzuwarten, wie sich dieser demonstrierende Wanderzirkus auch noch an anderen Orten in Deutschland auf diese Weise zusammenfindet."

Keine stark wachsende Protestbewegung

Der Rechtsextremismus-Experte sagte, es handele sich nur um einige 10.000 Menschen, die deutschlandweit dazu bereit seien, auf die Straße zu gehen. "Von einer stark anwachsenden Protestbewegung in Deutschland, die angesichts von Maskenskandal und Impfdesaster jetzt in Massen auf die Straße gehen", könne man daher nicht reden, sagt Sundermeyer.
(ckr/gem)
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