"Quasi so wie in Japan"

Von Barbara Doll · 08.04.2011
Vor 32 Jahren hat das Heimweh zur Gründung des Japanischen Frauenchors in München geführt. Einmal in der Woche treffen sich die Frauen, um beim gemeinsamen Singen ein Stück Heimat zu erleben. Deutschlandradio Kultur hat den Chor vor dem Erdbeben in Japan besucht.
Kazuko Krüger: "Fast alle Mitglieder sprechen einigermaßen deutsch, aber trotzdem so Lieder zu singen… wir haben immer ein bisschen Schwierigkeit, aber unser Chorleiter, Herr Miura, er spricht sehr gut "boarisch", er erklärt ganz genau, deshalb machen wir einfach nach…"

Masumi Miura: "Wir, die in München ansässigen Japaner, müssen ja auch Deutsch sprechen können, zwar nicht so toll, aber so versuchen wir durch Singen, dass wir dann eben auch deutsche Kultur bissl verstehen. Das ist manchmal leichter, wenn man über Musik oder Kunst irgendwie auf den Weg geht… also Singen geht gleich ins Herz, sag ich mal…"

Masumi Miura leitet den Japanischen Frauenchor München seit mittlerweile zwanzig Jahren. Neben der Musik ist seine andere Begabung die Malerei: Er arbeitet als Theatermaler an der Bayerischen Staatsoper in München. Dort singt er auch aushilfsweise im Opernchor.

Jetzt steht Masumi Miura, wie jeden Dienstagabend, im Musikzimmer der Japanischen Internationalen Schule in München. Das ist ein nicht gerade heimeliger Raum im Keller: Roter Teppichboden, kahle Wände, Neonröhren an der Decke. Hinter Masumi Miura, am Flügel, sitzt seine Frau; vor ihm die fünfzehn Chorsängerinnen. Sie sind eher dezent gekleidet – ihre Tracht, den Kimono, tragen sie nur auf der Bühne. Alle haben die Straßenschuhe ausgezogen und sind in ihre Pantoffeln geschlüpft, so wie es in der Japanischen Internationalen Schule üblich ist. Altistin Kazuko Krüger ist Vorsitzende des Frauenchors und arbeitet hier als Musiklehrerin:

"Ich habe in Japan Klavier studiert, aber ich wollte in Deutschland noch deutsche Liederbegleitung weiter lernen. Dann ich wollte langsam nach Japan zurückkehren, dann habe ich einen Deutschen kennengelernt, hab ich geheiratet… Eigentlich habe ich in meinem Leben immer irgendwo im Chor mitgesungen, das ist mein Leben, so ohne Chor kann ich nicht leben, so ist es."

"Solche japanische Lieder zu singen, das ist wirklich so Beruhigungsmittel quasi."

Die Sängerinnen genießen die Lieder ihrer Heimat. Sie wiegen ihre Oberkörper, schließen die Augen, lachen sehr viel. Aber nicht bei jeder Frau im Chor geht es um Heimweh und Erinnerung: Hanai Ino-Buchmeier ist mit 25 Jahren eine der jüngsten Sängerinnen:

"Ja, es ist auch ein Stück Heimat für mich, weil Japan ja meine zweite Heimat ist – gut, ich bin jetzt hier aufgewachsen in Deutschland, aber es ist auch ein Teil dann von mir… und dass es natürlich auch 'ne Übung ist für des Japanische, wenigstens sprech ich dann einmal in der Woche Japanisch."

Fast fünfzig Jahre älter als Hanai Ino-Buchmeier ist die Sopranistin Mizue Dorsch. Sie hat den Japanischen Frauenchor mit gegründet. Zu einer Zeit, als es noch kein Internet gab und als sich in Deutschland lebende Japaner noch nicht über Online-Communities vernetzen konnten:

"Das war 1979, jemand mich angerufen, es wird in München ein Japan-Club gegründet. Ich habe mich sehr gefreut, weil ich über 10 Jahre nur ausschließlich unter Deutschen gelebt und ich hatte Sehnsucht gehabt nach Japan, also großes Heimweh... und ich liebte Singen!"

Dass schließlich ein reiner Frauenchor zusammenkam, war Zufall, sagt Mizue Dorsch:

"Natürlich hab ich damals gedacht, möchte ich gerne gemischten Chor haben. Am Anfang hab' ich dann in unserem Rundschreiben geschrieben, Männer sollen auch mitmachen. Aber keine Männer haben dann sich gemeldet. Sie haben irgendwie Hemmungen gehabt."

Heute haben die Männer keine Hemmungen mehr: Wenn größere Konzerte anstehen, wird der Chor erweitert und es mischen sich Herrenstimmen unter den Frauenchor. Zum Beispiel die Stimme von Wilfried Geist:

"Ich hab' immer gute Beziehungen zu Japanern, weil meine Frau Japanerin ist, auch wenn sie nicht im Chor mitsingt. Ich war zwei Jahre als Student in Japan und dann später noch vier Jahre von der Firma, Maschinenbau. Als ich als Student in Tokio war, da war ich im deutschen Kirchenchor dort, da macht‘s mir einfach Spaß, wieder mal ein bisschen singen zu können."

Deutsche Sängerinnen und Sänger sind zwar herzlich willkommen, aber Wilfried Geist ist eher die Ausnahme im Chor. Der Grund: Er kann Japanisch sprechen und die Schriftzeichen lesen – und wer das nicht kann, gesteht Kazuko Krüger, wird es nicht ganz leicht haben:

"Wir möchten eigentlich unsere Probe immer auf Japanisch machen, ja also, sprechen jeden Tag zu Hause sehr viel Deutsch. Wenn die Probe doch wieder auf Deutsch wäre... dann… öööhhh… bisschen schade finden wir. Wir möchten mindestens diese Dienstagabend zwei Stunden einfach quasi so wie in Japan sein, ja."

Der Japanische Frauenchor München sucht aktuell neue Sängerinnen; für einzelne Projekte auch Herrenstimmen.