Quartett der Kritiker

19.12.2011
Robert Schumanns Orchesterwerke sind wegen ihrer Instrumentierung umstritten, gespielt werden sie trotzdem oft. Vier Juroren des Preises der deutschen Schallplattenkritik diskutieren über die Interpretationsgeschichte der vierten Sinfonie, deren jüngste Aufführung morgen, am 20. Dezember, im Konzert zu hören sein wird.
Es ist einer ihrer Ahnherren, dem sich die vier Musikjournalisten auf einem Podium in der Bremer Glocke widmen werden: Robert Schumann gehört als Gründer der "Neuen Zeitschrift für Musik" (ab 1834) zu den noch heute zitierten Pionieren der Musikkritik – in der Absicht, "einen Damm gegen die Mittelmäßigkeit aufzuwerfen, durch das Wort wie durch die That". Mit den von Schumann gemeinten "Thaten" freilich hapert es bei den meisten Musikkritikern heute, schließlich haben sich das komponierende wie das kritisierende Gewerbe in der Zwischenzeit derart professionalisiert, dass es kaum noch Überschneidungen gibt. Schumanns rhetorische Fragen stellen sich heute nicht mehr: "Warum über Chopin schreiben? Warum Leser zur Langeweile zwingen? Warum nicht aus erster Hand schöpfen, selbst spielen, selbst schreiben, selbst komponieren?"

Tragischerweise ist Schumann, ungeachtet seines Ruhms, ein prominentes Opfer der von ihm initiierten Musikkritik geworden: Wohl keinem prominenten Sinfoniker dieser Größenordnung wird noch heute unterstellt, er habe Probleme mit dem Orchestersatz gehabt. Diese Ansicht, die einst Johannes Brahms und Gustav Mahler zu redaktionellen Eingriffen in Schumanns Partituren brachte, geistert noch heute in verdünnter Form durch manche Rezension.

Schumanns Vierte ist allemal ein sinfonisches Schmerzenskind, denn eigentlich entstand sie 1841 als zweite Sinfonie, blieb aber nach einer enttäuschenden Uraufführung zehn Jahre liegen, wurde dann grundlegend verändert und erschien als vierte Sinfonie unter der irreführend "hohen" Opuszahl 120 – zahlreiche Einspielungen des Werks folgen meist dieser späten Version, während sich die historisierende Aufführungspraxis in den vergangenen Jahren mehr für die Urfassung interessiert hat.

Stoff genug für eine Kritiker-Runde, deren Gespräch sich als Einführung in das (am 20. Dezember folgende) Konzert mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen versteht. Auf dem Podium diskutieren vier von insgesamt 145 Juroren, die für den "Preis der deutschen Schallplattenkritik" arbeiten – ein Forum, das seit über drei Jahrzehnten unabhängig von der Musikindustrie herausragende Aufnahmen ermittelt und damit, ganz in Schumanns Sinn, versucht, "einen Damm gegen die Mittelmäßigkeit aufzuwerfen".



Die Glocke, Bremen
Aufzeichnung vom 17.12.11

Quartett der Kritiker – zu Gast im Deutschlandradio Kultur

Robert Schumanns vierte Sinfonie

Ludolf Baucke, Freier Journalist
Lothar Brandt, Home Electronics
Eleonore Büning, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Christoph Vratz, Freier Journalist

Moderation: Olaf Wilhelmer

In Zusammenarbeit mit dem "Preis der deutschen Schallplattenkritik" e.V.