Quälende Fragen

Von Carsten Probst · 24.08.2010
Die Temporäre Kunsthalle auf dem Berliner Schlossplatz ist bald Vergangenheit, jetzt hoffen viele auf ein Nachfolgeprojekt - eine ständige Kunsthalle. Doch wie die aussehen könnte, ist noch völlig unklar. Eine Diskussion.
So einfach ist es also, einen Konsens zu finden: Die Kunsthalle soll an einem zentralen Ort Berlins stehen, sie soll über genügend finanzielle Mittel verfügen und die junge, noch nicht etablierte Kunstszene der Stadt abbilden. Sie soll einen festen Leiter haben und wechselnde Kuratoren. Volker Hassemer, vor fast unvordenklich langer Zeit einmal Berliner Kultursenator, heute Vorstand des Stiftungsrates bei der Stiftung Zukunft Berlin, spricht den Konsensvorschlag den anderen Diskussionsteilnehmern vor und fragt sie, ob sie zustimmen könnten. Und siehe da, von allen, allen kommt ein mehr oder weniger verhaltenes: "Ja."
Das an sich wäre schon fast eine Meldung wert angesichts der jahrelangen Dispute um die Berliner Kunsthallenpläne. Aber ach, die entscheidende Frage in dieser Endlosdebatte ist ja gar nicht unbedingt das Ob, sondern vielmehr das Wie. Thomas Köhler, Direktor der Berlinischen Galerie, meint etwa zu der möglichen Beschaffenheit einer künftigen Kunsthalle:

"Sie soll eigentlich eine temporäre Kunsthalle bleiben. Ich finde nicht, dass die große Geste mit irgendeinem Stararchitekten zu Berlin passt. "

Bernhard Kotowski dagegen vom Berufsverband Bildender Künstler in Berlin stellt fest, sicher ganz im Sinne seiner vielen Mitglieder:

"Sie sollte groß sein."

Moritz von Dülmen wiederum von der Berliner Kulturprojekte GmbH und in dieser Eigenschaft ein eingefleischter Kultur-Vermittler:

"Es gibt viele, viele Orte, aber es gibt keinen zentralen Ort. Wenn es eine neue Kunsthalle gibt, dann muss es eine Ergänzung zu den bestehenden Einrichtungen geben, weil wenn dann wollen wir auch das Kapital, das wir in dieser Stadt haben, eben die große, starke, zeitgenössische Kunstszene auch wirklich sichtbar machen…"

Hätte die Runde noch x weitere Disputanten gehabt, ließe sich die Zahl der Ideen und Erwartungen um genau diesen Faktor ergänzen. Das ist seit Jahr und Tag der Stand der Debatte. Ebenso unterschiedlich sind die Auffassungen, ob eine neue, finanziell proper ausgestattete Kunsthalle nicht die vielen bereits bestehenden Institutionen für Gegenwartskunst in Berlin an den Rand drängen würde.

Beispiel für die Antwort eines Verbandsvertreters der bildenden Künstler: Bernhard Kotowski wünscht sich,

"…dass die Kunsthalle in Berlin nicht empfunden wird als Bedrohung, sondern dass die Kunsthalle empfunden werden kann als Chance auch für die übrigen Berliner Institutionen, in ihrer Arbeit durch die Kunsthalle nicht geschmälert, sondern gestärkt zu werden."

Museumsmann Köhler hingegen postuliert, die Notwendigkeit einer Kunsthalle in Berlin generell als obsolet zu betrachten. Schließlich gibt es ja die Berlinische Galerie, der er vorsteht. Die Idee der Kunsthalle stamme dagegen eigentlich noch aus dem letzten Jahrhundert.

"Und in dieser Zeit ist ja diese Diskussion entstanden, die beklagte, dass Künstler, die in Berlin leben und arbeiten, schlichtweg weder gesammelt noch ausgestellt werden. Mittlerweile hat sich das ganz stark gewandelt, es müsste eigentlich eher dazu kommen, dass die Institute, die schon existieren, in die Lage versetzt werden, vernünftig zu arbeiten."

Kunstvermittler Moritz von Dülmen hingegen sieht eine Kunsthalle als erweitertes Angebot des Berliner Stadtmarketings, womit er der Grundidee des Berliner Regierenden Bürgermeisters im Übrigen wohl am nächsten kommen dürfte:

"Service für den Künstler und den Kulturschaffenden selber, aber auch natürlich für das Publikum, die zahlreichen Touristen, die unter anderem auch wegen der zahlreichen Kunst und Kultur in die Stadt kommen, und es ist sehr sehr schwierig in Berlin, eine Überblick über das, was hier eigentlich stattfindet. letztendlich zu bekommen."

Schließlich nimmt auch diese Diskussionsrunde denselben Verlauf wie viele Streitgespräche in dieser Angelegenheit vor ihr. Museumsdirektor Thomas Köhler ist es vorbehalten, jenen toten Punkt anzusteuern, der die Debatte schon seit langem lähmt. Die Frage: Worüber debattieren wir eigentlich?

"Das was diese Kunsthalle sein soll, ist mir nicht klar genug, ehrlich gesagt. Ich finde es gut, wenn man einen neuen Ort schafft, aber er muss ein klares Konzept haben. Ich hab Besucherzahlen gelesen, die waren astronomisch. Da frag ich mich, mit welchem Programm der Gegenwartskunst will man das eigentlich erreichen?"

Es sind quälende Fragen, Fragen, auf die niemand eine Antwort hat. Sie werden die Berliner Szene vermutlich weiter quälen, solange ein Regierender Bürgermeister einen großen Batzen Steuergeld für eine neue Institution in Aussicht stellt – auch wenn keiner weiß, wie sie aussehen soll.