Pyeongchang-Bilanz des Innenministeriums

Spitzensportreform trotz der Erfolge

Tobias Wendl (l-r), Tobias Arlt (Gold) und Toni Eggert und Sascha Benecken (Bronze) aus Deutschland freuen sich über ihre Medaillen.
Die deutschen Rodler jubeln über ihre Medaillen. © Michael Kappeler / dpa
Von Wolf-Sören Treusch · 25.02.2018
Die großartigen Erfolge der deutschen Olympioniken in Pyeongchang täuschen darüber hinweg, dass es um den deutschen Spitzensport hierzulande nicht so gut steht: Eine Reform soll also her, da sind sich Bundesinnenministerium und der Deutsche Olympische Sportbund einig.
Olympische Momente haben ihre eigene Magie. Zu jeder Jahreszeit. Für Markus Rehm, Doppel-Olympiasieger im Weitsprung bei den Paralympics in London und Rio de Janeiro, war die Goldkür von Eiskunstlaufpaar Aljona Savtschenko und Bruno Massot Gänsehaut pur.
"Das ganze Leben oder ein Großteil des Lebens, der zielt auf diesen einen Tag ab, bei Olympia oder bei den Paralympischen Spielen sich den Traum zu erfüllen, ne Goldmedaille zu gewinnen. Das geht so schnell, und das kann auch so schnell vorbei sein. Mit einem kleinen Fehler, einem kleinen Patzer oder einer Viertelumdrehung zu wenig im Eiskunstlauf kann es zu Ende sein. Das ist das Verrückte, aber auch die Faszination des Sports. Ja, als da die Tränen geflossen sind, das hat mich schon berührt und an die eigene sportliche Karriere erinnert."

Trotz Erfolge ist eine Reform nötig

Zu erleben, wie sich "Team Deutschland" in Pyeongchang zudem als Einheit präsentierte, macht auch die Athleten zuhause stolz. Angesichts der großartigen Erfolge der Wintersportler könnten jetzt viele denken: eine Reform des Spitzensports in Deutschland ist nicht notwendig. Stimmt aber nicht, sagt der scheidende Bundesinnenminister Thomas de Maiziere.
"Die Betonung bei der Spitzensportförderung auf Spitze heißt ja nun nicht, dass die Menschen, der Verband, ein Sportler nur danach bemessen wird, ob er ne Medaille gewinnt. Wir wissen doch längst, dass die so genannten gefallenen Helden an sich in die Herzen der Menschen viel mehr kommen als die reinen Gewinner. Ich glaube, dass Felix Loch jetzt von den Menschen fast mehr geliebt wird, weil er den vierten Lauf vergeigt hat als wenn er die dritte Medaille gewonnen hätte. Bin ich mir ziemlich sicher."
Damit deutsche Athleten aber auch künftig bei sportlichen Großereignissen ganz vorne landen, bedarf es dringend einer Reform des Fördersystems. Auch da ist sich Thomas de Maiziere "ziemlich sicher". Entsprechende Vorschläge erarbeitet derzeit die PotAS-Kommission, sozusagen das Herzstück der Reform. PotAS steht für Potenzialanalyse. Die Kommission will Sportarten und Disziplinen feststellen, die besondere Erfolgsaussichten besitzen. Und dann die Sportverbände in drei unterschiedliche Kategorien einteilen, die je nach Einstufung mehr oder weniger Fördergelder erhalten. Ganz oben stehen die Exzellenzcluster.
"In der Wirtschaft sind Zielvorgaben irgendwie auch was ganz Normales. ‚Wir wollen Umsatz erhöhen oder die Rendite erhöhen’ oder so etwas, ja. Nur im Sport ist es irgendwie die Einleitung zum Doping. Kann ich gar nicht verstehen. Also dass man eine Zielvorgabe sagt: ‚wir wollen mit einer bestimmten Summe Geld irgendwie etwas erreichen’, finde ich das Normalste von der Welt."

"Spitze in der Breite"

Eine Konzentration der Fördergelder auf nur wenige Medaillenträchtige Sportarten, wie das in den Niederlanden im Eisschnelllauf der Fall ist, so der Noch-Bundesinnenminister, wird es in Deutschland allerdings nicht geben.

"Ich habe neulich mal gesagt ‚Spitze in der Breite‘, also: nicht der holländische Weg, aber auch nicht einfach mit der Gießkanne verteilen: Wer die meisten Mitglieder hat, kriegt das meiste Geld, und den Rest macht der Sport. Das wird sicher nicht zur Spitze führen."
Ein Ergebnis der Reform dürfte sein, dass etliche Bundesstützpunkte geschlossen werden. 39 von 204 stehen auf der Kippe. Noch mehr Spitzensportlerinnen und –sportler werden den Wohnort wechseln müssen, um den Traum von einer Olympiamedaille weiter träumen zu können. Klar ist aber auch: Exzellenzcluster bieten keine Erfolgsgarantie. Meint die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Dagmar Freitag und verweist auf das Ergebnis im Super-G der Frauen in Pyeongchang.
"Dieser überraschende Erfolg der Athletin, die eigentlich Snowboarderin ist, die dann den Rennläuferinnen gezeigt hat, dass sie plötzlich mit einer Hundertstelsekunde Gold gewinnen kann, das zeigt aus meiner Sicht sehr deutlich: Man kann Leistungsentwicklungen durchaus prognostizieren. Immer vorausgesetzt: der Athlet, die Athletin verletzt sich nicht, das können Sportwissenschaftler hinbekommen. Aber die Goldmedaille eben doch nicht."

Athleten fordern Mitsprache - Sportlerinnen und Sportler müssen bei der geplanten Spitzensportreform verstärkt angehört und mitgenommen werden, fordert Silke Kassner, die stellvertretende Vorsitzende der Athletenkommission des DOSB. Die "individuellen Rahmenbedingungen der Athleten insbesondere in finanzieller und sozialer Hinsicht" seien bei der Gesamtbetrachtung zu kurz gekommen. Hier das vollständige Gespräch mit Thomas Jaedicke.
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