Putin weist Kritik am Kremlkurs zurück

Von Gesine Dornblüth · 25.04.2013
Mehr als vier Millionen Fragen wurden eingereicht, aus allen Regionen des Riesenreiches. Es war Putins erste Bürgersprechstunde als Präsident seit seiner Amtseinführung vor einem knappen Jahr. Millionen haben zugesehen. Fast fünf Stunden lang.
Der größte Teil von Putins Fernseh-Marathon war der russischen Innenpolitik gewidmet, und da gab es keine Überraschungen. Der Präsident machte klar: Entgegen anderslautenden Spekulationen ist keine Regierungsumbildung zu erwarten.

"Die Regierung ist noch nicht mal ein Jahr im Amt. Natürlich gibt es Anlass zur Kritik, aber man muss den Leuten eine Chance geben. Jetzt das Personalkarussell in Gang zu setzen, würde eher schaden als nützen."
Zwischen dem Präsidenten und der Regierung knirscht es. Putin ist unzufrieden mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Seit Wochen wird spekuliert, ob und wann einzelne Minister, eventuell sogar Premierminister Medwedew gehen müssen.

Bezeichnenderweise erhielt als einer der ersten Studiogäste ausgerechnet ein Intimfeind Medwedews das Wort: der liberale Dmitrij Kudrin, Ex-Finanzminister. Kudrin kritisierte die Regierung scharf.

"Halbe Reformen nützen nichts. Russland wird sich nur entwickeln, wenn es sich aus der Abhängigkeit vom Öl befreit. Dazu muss es ein Programm geben. Und dieses Programm gibt es nicht."
Putin gab zu, er habe dem Ex-Minister bereits einen Posten in der Regierung angeboten, Kudrin habe aber abgelehnt.

Ein Schwerpunkt von Putins Fernsehshow lag im Sozialen. Nach seiner Wahl zum Präsidenten wurden Renten, Stipendien, Gehälter erhöht. Er hörte sich Klagen über steigende Mietnebenkosten an und versprach, sich zu kümmern. Eine Landärztin berichtete, die versprochene Lohnerhöhung bleibe aus. Auch sie kann nun auf Putin hoffen. Er setzt in seiner dritten Präsidentschaft vor allem auf Arbeiter und ältere Menschen. Ihnen erklärte er seinen Respekt.

"Ich bin selbst aus einer Arbeiterfamilie. Auf den Schultern dieser Menschen ruht das Land."

Wie schon bei früheren Sprechstunden traten Veteranen auf, dies mal aus dem Dorf Prochorowka in Westrussland, wo dieses Jahr der 70. Jahrestages einer Panzerschlacht gegen die Wehrmacht gefeiert wird. Zugeschaltet wurde auch eine Familie in Novoschachtinsk ganz im Osten Russlands. Die Eltern haben zwölf Kinder angenommen. Vor einigen Monaten hat Russland die Adoption russischer Kinder in die USA verboten, nun läuft eine Kampagne, um Adoptionen im eigenen Land zu fördern. Eine Tochter:

"Ich möchte um einen Kinderspielplatz bitten, wir haben keinen, und wir hoffen, dass unser Traum wahr wird."

Putin sagte zu, und keine zwei Stunden später ließ der Gouverneur der entlegenen Region über Presseagenturen verbreiten, es sei schon entschieden, was für ein Spielplatz gebaut werde.

Der Umgang mit der russischen Opposition war nur ein Thema von vielen. Putin wies die Vorwürfe gegen ihn, Bürgerfreiheiten einzuschränken, erneut zurück. Niemand werde für seine politische Haltung bestraft. Derzeit findet im etwa 900 Kilometer entfernten Kirow der Prozess gegen den Regierungskritiker und Antikorruptionskämpfer Alexej Nawalnyj statt. Er ist wegen Veruntreuung angeklagt. Nach Meinung vieler Beobachter sind die Vorwürfe gegen Nawalnyj konstruiert. Dazu Putin:

"Wer gegen Korruption kämpft, muss selbst eine weiße Weste haben. Ich bin überzeugt, das Verfahren wird äußerst objektiv sein."

Erst gestern hatten die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty International Putin eine "Hexenjagd" auf Regierungskritiker vorgeworfen.