Dienstag, 23. April 2024

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Streit um den "Zwarten Piet"
"Die Debatte ist entgleist"

Der "Zwarte Piet" sei kein rassistisches Phänomen, sagt Friso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien der Universität Münster, im DLF. Dennoch sei gut, dass er hinterfragt werde. In der Debatte über die Figur des schwarzen niederländischen Nikolaus-Gehilfen gebe es zwei unversöhnliche Lager.

Friso Wielenga im Gespräch mit Friedbert Meurer | 17.11.2014
    Zwei Darsteller sind verkleidet als Nikolaus mit weißem Bart, roter Bischofsmütze und Mitra und als Zwarter Piet mit schwarz angemaltem Gesicht in einem schwarzem Kostüm mit Karos.
    Um den "Zwarten Piet", der den Nikolaus in den Niederlanden begleitet, ist eine kontroverse Diskussion ausgebrochen. (picture alliance / dpa / Lex Van Lieshout)
    Es gebe diejenigen, die den "Zwarten Piet" verbieten lassen wollen, weil er das Bild des schwarzen Sklaven des 19. Jahrhunderts verkörpere, darunter eine Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. Das andere Lager sehe in einer Abschaffung der Figur die kulturelle Identität gefährdet - die rechtspopulistische PVV wolle seinen Erhalt sogar gesetzlich regeln.
    Der "Zwarte Piet" ist laut Wielenga kein Zeichen dafür, dass weiße Niederländer auf schwarze Niederländer herabschauen. Die Bedenken aus der Bevölkerung solle man jedoch ernst nehmen. Wielenga hofft, die Vernunft werde in den nächsten Wochen zurückkehren, sodass bereits für das nächste Nikolausfest mit "einer typisch niederländischen Polderlösung", einem Kompromiss, begangen werden könne.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Wir streiten ums Fracking, die Niederländer in der Nachbarschaft um den "Zwarten Piet". In den Niederlanden ist der Streit um den "Zwarten Piet", den "Schwarzen Peter", übers Wochenende regelrecht eskaliert. Der "Zwarte Piet" ist der dunkelhäutige Helfer des Nikolaus. Für die Gegner ist der "Zwarte Piet" aber kein harmloser Kinderfreund, sondern eine rassistische Figur. In Gouda gab es regelrechte Auseinandersetzungen. 90 Personen sind da festgenommen worden. - Friso Wielenga ist Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Universität Münster. Guten Morgen, Herr Wielenga.
    Friso Wielenga: Guten Morgen!
    Meurer: Vielleicht zunächst die Frage: Wie viel hat Ihnen in Ihrer Kindheit der "Zwarte Piet" Bedeutet?
    Wielenga: Der "Zwarte Piet" gehörte dazu, jedes Jahr. Er war eine witzige Figur. Er machte manchmal ein bisschen Angst, aber er hat vor allem auch viel Spaß gemacht und ist, sagen wir mal, in meiner Erfahrung, so wie ich das von früher kenne, nicht das rassistische Phänomen oder das Zeichen, dass die weißen Niederländer herablassend auf die schwarzen Niederländer heruntergucken. Aber man soll schon auch die Kritik und die Reaktionen der schwarzen Surinamen und all der anderen auch ernst nehmen. Aber die Debatte ist tatsächlich entgleist.
    Meurer: An welcher Stelle ist die Debatte entgleist?
    Wielenga: Die Debatte ist deswegen entgleist, weil es zwei unversöhnliche Lager gibt: Einerseits das Lager, das Sie auch schon angesprochen haben, das nämlich sagt, der "Zwarte Piet" ist ein rassistisches Phänomen und soll abgeschafft werden. Dieses Lager wird auch unterstützt von einer Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, die auch gesagt hat, der "Zwarte Piet" muss weg, das geht so nicht länger, das ist aus dem 19. Jahrhundert. Das ist das eine Lager.
    Das andere Lager, das sagt: Wenn sie an den "Zwarten Piet" kommen, dann kommen sie sozusagen an unsere Identität. Es ist vor allem auch die rechtspopulistische PVV, die hier Öl ins Feuer gießt und sagt, wir bringen einen Gesetzentwurf ein ins Parlament, wonach künftig der "Zwarte Piet" auch wirklich immer schwarz bleiben soll.
    Mit diesen zwei polarisierten Lagern kommt man nicht weiter. Wir brauchen eine Polderlösung für die Niederlande.
    "Zwarte Piet ist eine dynamische Figur"
    Meurer: Polderlösung - ein großes Wort. Das war mal eine Lösung auf einem DIN-A4-Blatt, wie es ökonomisch weitergehen soll mit den Niederlanden. Wie soll die Polderlösung aussehen für den "Zwarten Piet"?
    Wielenga: Es ist ziemlich schwierig, zwischen weißen und schwarzen Piets einen Kompromiss zu finden, aber es gibt auch schon Kompromisslösungen. Zum Beispiel in Amsterdam, wo gestern Sinterklaas ankam mit insgesamt 400 Schwarzen Petern, da waren 100 nicht mehr so ganz schwarz. Die waren mit schwarzen Rußflecken im Gesicht, und das passt auch in die Tradition, denn die Gegner vom "Zwarte Piet" sagen, es erinnert an die Sklaverei, und andere sagen, nein, nein, "Zwarte Piet" kam immer durch den Schornstein. "Zwarte Piet" und "Sinterklaas" gingen über die Dächer und brachten die Geschenke durch den Schornstein in die Häuser, und weil "Zwarte Piet" dann immer durch den Schornstein musste, wurde er auch schwarz.
    Schwarze Rußflecken im Gesicht geht. In Gouda jetzt am Samstag gab es auch gelbe "Zwarte Piet" und "Zwarte Piet", die aussahen wie Sirup-Waffeln. Das war auch ein Stück City-Marketing von Gouda.
    Meurer: Aber er hatte ja trotzdem, auch wenn er im Gesicht ein bisschen anders aussieht, irgendwie dieses Pumpkleid an und sieht aus ein wenig doch wie ein Sklavendiener aus dem 19. Jahrhundert, oder?
    Wielenga: Ach nein. Wissen Sie, der "Zwarte Piet" hat sich in den letzten Jahrzehnten auch sehr stark verändert. Früher war er tatsächlich der unterwürfige Knecht von Sinterklaas, aber in den letzten Jahren ist es auch eine sehr witzige Figur geworden, der auch Sinterklaas oft auf den Arm nimmt und manchmal die Initiative ergreift. "Zwarte Piet" ist eine dynamische Figur, die sich auch weiterentwickeln soll. Man soll jetzt nicht daran festhalten, so wie es früher war; man soll auch gucken, gib ihm mal eine andere Farbe, gibt ihm mal Regenbogenfarben. Aber wir sollten jetzt nicht übertreiben und daraus eine rassistische Figur machen, die er eigentlich so doch nicht ist.
    Hoffen auf eine "typisch niederländische Polderlösung"
    Meurer: In der Stadt Gouda war ja der Sinterklaas, glaube ich, der Nikolaus in Begleitung von Schwarzen Petern mit unterschiedlichen Gesichtsfarben, und trotzdem hat es dann ordentlich geknallt. 90 Leute sind verhaftet worden. Wie gut stehen die Chancen, sich tatsächlich auf diesen Kompromiss zu einigen?
    Wielenga: Zuerst einmal: Die Leute, die verhaftet worden sind, die sind deswegen verhaftet worden, weil sie protestiert haben an Stellen, wo es nicht genehmigt war. Es ist nicht zu richtigen Krawallen kommen, aber trotzdem ist das natürlich schon ein Zeichen der starken Polarisierung. Ich gehe mal davon aus, dass die Vernunft in den nächsten Wochen doch wieder zurückkehren könnte, und sicherlich nach dem 5. Dezember, wenn "Sinterklaas" und "Zwarte Piet" wieder zurückgefahren sind nach Spanien, haben wir Zeit, um ein bisschen zur Ruhe zu kommen, um dann im nächsten Jahr doch zu gucken, ob wir mit einer typisch niederländischen Polderlösung doch dieses schöne Familienfest auch künftig in Frieden feiern können.
    Meurer: Friso Wielenga, der Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Universität Münster, hat uns erklärt, warum es in den Niederlanden so viel Ärger um den "Zwarten Piet", den "Schwarzen Peter" gibt und wie man vielleicht eine Lösung finden kann. Herr Wielenga, danke nach Münster, auf Wiederhören.
    Wielenga: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.