Punk in der Gründerzeitvilla

Von Carola Hoffmeister · 07.08.2007
Wissenschaftlerin, Sängerin, Galeristin, Künstlerin. Ebba Durstewitz ist rastlos, neugierig, trotzdem wirkt sie in sich ruhend. In ihrer Galerie zeigt sie keine dekorativen Landschaften in Öl, sie stellt zeitgenössische Kunst aus: Installationen, Fotos, Videos. Galeristin und Künstlerin wurde Durstewitz durch eine zufällige Begegnung im Bekanntenkreis.
Die 80 Quadratmeter große Galerie im ersten Stock: drei weitläufige Zimmer mit Fenstern zur Straße, pompösem Deckenstuck und Fischgrätenparkett, das in der Sonne glänzt wie eine Haselnussschale. Großbürgertum. Man denkt an die Buddenbrooks oder Effi Briest. Die Galeristin heißt Ebba Durstewitz. Genau wie Ebba aus einem Roman von Theodor Fontane.
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Ebba Durstewitz, 1,70 Meter groß, skandinavischer Typ mit blondem Haar und taubenblauen Augen, kennt das: Ausstellungsbesucher bestaunen den Luxus der ehemaligen Kaufmannswohnung. Deshalb ist der Galeristin ein Stilbruch wichtig.

Ebba Durstewitz zeigt keine dekorativen Landschaften in Öl, sie stellt zeitgenössische Kunst aus: Installationen, Fotos, Videos. Bei der Galerieeröffnung hat die 35-Jährige die Wände mit einer selbst gestalteten Tapete beklebt:
"Das waren ja keine Tapeten, mit denen man es in einem Raum länger hätte aushalten können."

Ihre Motivtapete: brombeerfarben, darauf wiederholte sich in schwarzer altdeutscher Schrift hundertfach ein englischer Satz. Übersetzt: "Du kannst nicht mit einem Zombi diskutieren".

Punk in der Gründerzeitvilla.

"Das war genau der richtige Anfang. Da ergibt sich so ein roter Faden, dass ist auffällig, dass Künstler, die sich hier vorstellen, die Räume mit einbeziehen."

Ebba Durstewitz trägt ein klassisches Intellektuellenoutfit: Pulli, Hose, Schuhe, alles schwarz, seriös. Doch ganz so angepasst ist sie nicht:

"Ich hatte immer Probleme mit der Institution."

Wie mit dem Kunstmarkt. Die eigene Tapete zur Eröffnung war ein Verstoß gegen Galeristen-Gesetze:

"Wenn mir jetzt alle sagen, das ist so wichtig, wer als erstes ausstellt, für die Positionierung der Galerie. Das fand ich so schwierig, die Gedanken, die man sich da machen musste. So kam es, dass ich dachte, ich mach das einfach selbst."

Ebba Durstewitz wurde Galeristin und Künstlerin durch eine zufällige Begegnung im Bekanntenkreis. Sie hat in ihrem Leben nur wenig in die Zukunft geplant. Auch wenn sie dachte, sie müsste das:

"Weil ich halt aus so einem bildungsbürgerlichen Haushalt komme, Lehrerkind. Immer das Mädchen, das Sprachen besser kann als Mathematik."

Ebba Durstewitz ist in Nordhorn aufgewachsen. In einer kleinen verwinkelten Textilstadt nah an der holländischen Grenze. Der Geburtsort: keine Heimat.

"Das liegt vielleicht ein bisschen mit daran, dass meine Eltern so kurz vor meiner Geburt erst dahin gezogen waren und sich so wenig mit der Stadt identifizieren konnten. Und ich immer das Gefühl vermittelt bekam, das ist eigentlich nicht zu Hause."

Heimat, Vergänglichkeit – Themen, die Ebba Durstewitz beschäftigen, wenn sie Ausstellungen auf- oder abbaut.

Die Galeristin geht an ein Schwarz-Weiß-Foto heran, auf dem verwitterte Heiligenfiguren zu sehen sind. Eine Arbeit von dem Hamburger Künstler Alexander Rischer.

"Dann beinhaltet das natürlich auch immer den Moment, dass irgendwas vorbei ist, das ist für mich eigentlich immer eine ganz gute Therapie. Weil ich so ein extremes Problem habe, wenn die Schule, die Ferien, der Tag, vorbei ist. Das ist hier immer so, wenn eine Ausstellung vorbei ist, das ist immer ganz traurig. Aber darauf kommt immer gleich was anderes. Das ist wie eine Lebenslektion im Kleinen."

Ebba Durstewitz streicht eine blonde Haarsträhne zurück in den Zopf. Sie sagt, eine Konstante in ihrem Leben sei die Musik.

Ebba Durstewitz hat als Kind Cello und Klavier gelernt. Seit zwölf Jahren singt sie zusammen mit ihrem Freund, dem Maler Jakobus Siebels, in der Band JaKönigJa. Die Gruppe hat vier Platten raus gebracht, eine davon heißt Ebba.

Aber Ebba Durstwitz hört nicht nur die eigene Musik. Sie hat Portugiesisch studiert, um die Texte ihrer Lieblingssongs aus Brasilien verstehen zu können. Manchmal bricht sie aus nach Lissabon.

"Nicht, weil da so oft die Sonne scheint oder das so urlaubsmäßig ist. Das war so gleich da. Dass ich das erste Mal das Gefühl erlebt habe, dass man sich so aufgefangen fühlt."

Ebba Durstewitz lebt seit 15 Jahren in Hamburg. In der Galerie ist sie täglich, außerdem unterrichtet sie portugiesische Literatur an der Universität:

"Ich könnte auch nicht von heute auf morgen von der Literaturwissenschaft lassen, da hängt wirklich mein Herz dran."

Wissenschaftlerin, Sängerin, Galeristin, Künstlerin. Ebba Durstewitz ist rastlos, neugierig, trotzdem wirkt sie in sich ruhend: Ein Stift, ein Block….

"Aufschreiben…Jetzt habe ich gestern zum ersten Mal in meinem Leben, das muss ich machen, das muss ich machen…."

…eine To-Do-Liste erstellt.

Heute Abend würde Ebba Durstewitz gerne ausgehen, zur Jahressausstellung der Hamburger Kunststudenten. Doch das geht nicht. Die Vorbereitungen für das Literaturseminar und eine neue Platte stehen an:

"Ich habe es lieber so, auch wenn es manchmal stressig ist. Aber
trotzdem ist das, es hat schon, irgendwie, blödes Wort, was Beglückendes."


Service:

Bis zum 19. August sind in der Galerie Durstewitz-Sapre Arbeiten von Alexander Rischer zu sehen. Ab Mitte August eröffnet in Övelgönne die Spätsommerresidenz der Galerie in einem Kellergewölbe, direkt neben dem Ausflugslokal Strandperle, Schulberg 2. Zu sehen sind gemalte Hafencontaineransichten von Jakobus Siebels.

Galerie Durstewitz-Sapre
Rothenbaumchaussee 73
20148 Hamburg