Publizist Ralf Fücks über den Belaruskonflikt

"Die EU muss zu ihren Werten stehen"

07:10 Minuten
Protestierende Menschen halten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk ihre Smartphones mit Blitzlicht in die Höhe.
Keine Angst mehr vor Lukaschenko: protestierende Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk. © imago images / ITAR-TASS / Valery Sharifulin
Moderation: Korbinial Frenzel · 24.08.2020
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Die Europäische Union soll "Druck machen für Neuwahlen" in Belarus, fordert Ralf Fücks, Direktor des Zentrums Liberale Moderne. Der EU stellt er kein gutes Zeugnis aus: Sie hinke dem Geschehen in Belarus hinterher.
Zehntausende Menschen haben am Wochenende in Belarus für einen Regierungswechsel demonstriert. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko zeigte sich auf Videos mit Kalaschnikow – und drohte den Demonstranten mit hartem Durchgreifen.
Ob die Demonstranten oder Lukaschenko sich langfristig durchsetzen werden, hält der Direktor des Zentrums Liberale Moderne, Ralf Fücks, für "völlig offen".
Lukaschenko habe zum wiederholten Mal erklärt, dass er seine Macht notfalls auch mit Gewalt verteidigen werde. Gleichzeitig zeige die Protestbewegung keine Erschöpfung.
"Die Menschen haben keine Angst mehr, auf die Straße zu gehen. Das ist ein ganz entscheidender Faktor." Etwa 200.000 Menschen waren allein am Wochenende nach Schätzungen auf der Straße, um zu protestieren.

Die Erschöpfungstaktik Lukaschenkos

Inzwischen hat Lukaschenko zwei weitere prominente Oppositionelle verhaften lassen: die Mitglieder des Koordinierungsrates Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski. "Er wird weiter versuchen, Angst und Schrecken zu verbreiten", so die Einschätzung von Fücks. "Und die Proteste totlaufen zu lassen." Eine Art Erschöpfungstaktik.
"Deshalb hängt alles davon ab, ob der Machtapparat sich spaltet", sagt Fücks. Dafür gebe es allerdings bisher wenig Anzeichen. Auf der anderen Seite sei entscheidend, "ob es der Opposition gelingt, eine Übergangsregierung zu bilden, auch mit Mitgliedern des alten Regimes, um Neuwahlen vorzubereiten".

Die EU hinkt hinterher

Der EU stellt Fücks bezüglich des Konflikts kein gutes Zeugnis aus: Diese sei immer ein paar Tage, wenn nicht sogar eine Woche der Entwicklung hinterher.
Auf dem EU-Gipfel vergangene Woche wurde entschieden, die Wahlen und somit Lukaschenko als Präsident nicht anzuerkennen. "Aber die Folge, und das wurde nicht explizit gesagt, wäre: Druck machen für Neuwahlen" - und gleichzeitig gegenüber dem russischen Präsident Wladimir Putin "zu signalisieren, dass die EU keinen Bündniswechsel von Belarus will." Das Land also nicht in die EU ziehen zu wollen, weg von Russland.
"Aber gleichzeitig klar zu machen, dass eine militärische Intervention Russlands gravierende Folgen hätte für die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen." Die EU müsse zu ihren Werten wie freien Wahlen, Rechtsstaatlichkeit und ein Leben in Freiheit stehen.
(lkn)
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